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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 19 (1. Juliheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: "Die Umformerin der Zukunft": zur internationalen Hygieneausstellung
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Langen, Gustav: Wer baut, baue mit Architekten!
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0018
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doch baut erst der durch Schönheit und Geist geadelte Sport am Voll-
menschentum, und tut erst eine Bewegung gegen den Trunk, die das
an Geld und Kraft Ersparte in höheren Werten anlegt, was sie tun
kann, ganz. Iahrtausende sind vergangen, seit das Ideal der Schön--
gutheit aufgestellt ward, sollte die Menschheit nun wirklich bald als
Ganzes aufnehmen, was ein Völkchen von Genies erkannte? Das
Christentum kann dem nicht mehr seind sein, nicht einmal das Sklaven-
wesen mehr in seiner modernen Form, das ja mit dem Wachsen des
Volkswohlgedankens von selbst überwunden werden wird. Und so
wären wir doch vielleicht auf der berühmten Spirale der Entwicklung
in der Nähe einer alten Erkenntnis, aber da die Welt sonst immerhin
iu manchem mehr gelernt hat, darüber. A

Wer baut, baue mit Architekten!

^^^icht von der großen Baukunst wollen wir reden, die mit Auf--
/ bietung aller Kräste und aller Mittel eines Volkes bis zum
^ ^Cäsarenwahngebilde sich türmt. Auch wollen wir nicht die Mög--
lichkeiten konstruieren, zu denen Technik und Luxus des Bauens noch
gelangen könnten, sondern wir wollen die bescheidene bürgerliche Bau--
tätigkeit ins Auge fassen, wie sie heute hinter jeder Baufluchtlinie
aus uralten Stoffen neue Gebilde schafft.

Was bedeutet denn überhaupt: Bauen?

Bauen ist die sichtbare Außerung alles Fortschrittes, alles Wachs--
tums im Leben der menschlichen Gesellschaft. Bauen ist so notwendig,
wie Stoffwechsel und Zellenbildung unseres Körpers, und die jähr--
liche Bauzeit einer Stadt ist zu vergleichen mit dem Ausschlagen und
der Neubelaubung eines alten Baumes. Wo dies aufhört, ist der
Baum zwar noch da, aber abgestorben. Stillstand ist Rückschritt,
Nichtbauen ist Verfall.

Bauen ist die fast notwendige Folge jedes Wohlstandes und viel--
leicht mehr noch, wie eine verbesserte Nahrung und Kleidung, die
Nrbetätigung erhöhter Lebenssreude. Bauen bedeutet mehr als das
Herstellen von Unterkunftsräumen für den Zuwachs der Bevölkerung.
Bauen bedeutet mehr, als eine Kapitalanlage zur Schaffung neuen
Kapitals. Bauen bedeutet das Schaffen neuer, höherer Lebensbedin--
gungen für Körper und Seele.

Wie man die Eigenart der Kulturen ganzer Völker, zum Beispiel
der Agypter und Griechen, in engen Zusammenhang bringt mit der
Bodenbeschafsenheit und dem Klima ihres Landes und mit seiner Lage
zum Meer, so hängt auch das Sein des einzelnen eng mit den Daseins--
bedingungen zusammen, in denen er lebt und die er mit tzilfe der
Baukunst stetig zu erhöhen imstande ist. Rubens hat anders gewohnt
als Dürer, und dieser wieder anders als Rembrandt. Die Werke
dieser Meister stehen in ihrem Gesamtcharakter in wunderbarem Ein--
klang mit ihrer Nmgebung. Und sie selbst stimmten ihre Phantasie-
räume aufs feinste mit den Gestalten darin zusammen.

Wer die freie Luft und den Weitblick auf dem tzohenstaufen ge-
nossen hat, der versteht, daß hier in dieser Burg solche Königskinder
heranwachsen konnten, wer die hohen Räume der ersten Renaissance-

^ ' Kunstwart XXIV, >L
 
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