er erkannt haben, daß die nichtswürdige Zerstrentheit, die er da auf dem
Eesichte Hartungs erspähte, nur der stille Abglanz einer innerlichen Fröh-
lichkeit war, die Iulius Eäsar mit all seinem mustergültigen Latein im
Augenblick zu unterdrücken eben nicht in der Lage war.
Fritz dachte dabei eigentlich an nichts Konkretes. „Paß auf, es geht
noch, Hartung , , Er sah Chorinskis Augen. Warm und weich ging
es durch Hartungs Herz. Der Franz . . .
Als die Stunde mit Keesebieters Tadel im Klassenbuch und einem letzten
verweisenden Blick aus der Zuchtbrille geschlossen hatte, war auf der Bank,
an der Hartung gesessen, zu den streng verbotenen, aber seit Generationen
unausrottbaren Schmierereien zwischen einer längst vertrockneten Kari-
katur Keesebieters und der kindlichen Wiedergabe eines römischen Legions-
soldaten eine neue, liebevoll ausgeführte Schmiererei hinzugekommen.
Es waren die hübsch zu einer Art Monogramm verschlungenen Buchstaben
F und C> mit einem Schwung in der Linienführung, wie der kleine tzar-
tung von früher nur ein Wort geschrieben hatte: Re—sul—tat, und dies
so lobenswert schön, weil er kein Schmierfink war, wie die andern.
Fritz Hartung hat es nie erfahren, daß es dem Vorturner Chorinski,
was seine unwissenschaftlichen Gedankengänge anbetraf, in der Obertertia
ähnlich gegangen war zu dieser Stunde, wenn er auch nicht so leidenschaft-
lich war, wie sein künftiger Freund, und viel zu robust, um sich eine neue
Herzensfröhlichkeit gleich mit einem Ladel belohnen zu lassen.
Hartung wußte ja auch nicht, daß Chorinskis Augen nur deshalb so tief
in sein Herz gegriffen hatten, weil auch er, Fritz Hartung, da er zum achten
Male zur Freude des Herrn Lurnlehrers mit seinem Kopf über die Stange
gekommen war, Chorinski so in die Augen geblickt hatte, als gäbe er ihm,
wenn jener jetzt wolle, sein ganzes Knabenherz.
Als Keesebieter mit seinem Cäsar geschlossen hatte, war überhaupt
Schluß gewesen an diesem Vormittag, und in zwei getrennten Klassenzim-
mern dachten beim Zusammenpacken ihrer Sachen zwei Knaben ganz
das gleiche, ohne daß sie in der Pause nach der Turnstunde überhaupt
ein Wort gewechselt hätten.
Franz Chorinski dachte: „Ich muß mich beeilen. Hartung steht gewiß
schon vor der Lür und wartet auf mich.« — Fritz Hartung dachte: „Ich
muß mich beeilen. Chorinski steht gewiß schon vor der Tür und wartet
auf mich."
Und als der Fritz herunterkam und Chorinski mit den Büchern unter
dem Arm vor der Schule stand, war es ihnen beiden, als wenn sie sich
bestimmt verabredet hätten. Als sie dann, wie sonst über ganz Gleich-
gültiges plaudernd, an die Ecke gekommen waren, wo ihre Heimwege sich
trennten, sagte Hartung, nachdem sie ein Weilchen beieinander gestanden
hatten: „Ich kann dich ja noch nach Hause bringen, Chorinski . . ." Und
Hartung brachte Chorinski nach Hause. Als sie aber vor Chorinskis Woh-
nung angelangt waren, warf Chorinski — es war ja die Zeit, da noch
niemand daran dachte, ihm die Flügel seiner Ungebundenheit zu stutzen
— der Mutter, die gerade zum offenen Fenster herausschaute, seinen Schul-
ranzen mit einem „Ich komme in einer halben Stunde zurück« hinauf,
und kehrte um und begleitete nun wieder Hartung heim.
Als sie hinter das gelbe Haus an die Gartenpforte gekommen waren,
sagte Fritz Hartung: „Ich möchte dir gern mein Zimmer zeigen, Chorinski,"
j. Septemberheft 27A
Eesichte Hartungs erspähte, nur der stille Abglanz einer innerlichen Fröh-
lichkeit war, die Iulius Eäsar mit all seinem mustergültigen Latein im
Augenblick zu unterdrücken eben nicht in der Lage war.
Fritz dachte dabei eigentlich an nichts Konkretes. „Paß auf, es geht
noch, Hartung , , Er sah Chorinskis Augen. Warm und weich ging
es durch Hartungs Herz. Der Franz . . .
Als die Stunde mit Keesebieters Tadel im Klassenbuch und einem letzten
verweisenden Blick aus der Zuchtbrille geschlossen hatte, war auf der Bank,
an der Hartung gesessen, zu den streng verbotenen, aber seit Generationen
unausrottbaren Schmierereien zwischen einer längst vertrockneten Kari-
katur Keesebieters und der kindlichen Wiedergabe eines römischen Legions-
soldaten eine neue, liebevoll ausgeführte Schmiererei hinzugekommen.
Es waren die hübsch zu einer Art Monogramm verschlungenen Buchstaben
F und C> mit einem Schwung in der Linienführung, wie der kleine tzar-
tung von früher nur ein Wort geschrieben hatte: Re—sul—tat, und dies
so lobenswert schön, weil er kein Schmierfink war, wie die andern.
Fritz Hartung hat es nie erfahren, daß es dem Vorturner Chorinski,
was seine unwissenschaftlichen Gedankengänge anbetraf, in der Obertertia
ähnlich gegangen war zu dieser Stunde, wenn er auch nicht so leidenschaft-
lich war, wie sein künftiger Freund, und viel zu robust, um sich eine neue
Herzensfröhlichkeit gleich mit einem Ladel belohnen zu lassen.
Hartung wußte ja auch nicht, daß Chorinskis Augen nur deshalb so tief
in sein Herz gegriffen hatten, weil auch er, Fritz Hartung, da er zum achten
Male zur Freude des Herrn Lurnlehrers mit seinem Kopf über die Stange
gekommen war, Chorinski so in die Augen geblickt hatte, als gäbe er ihm,
wenn jener jetzt wolle, sein ganzes Knabenherz.
Als Keesebieter mit seinem Cäsar geschlossen hatte, war überhaupt
Schluß gewesen an diesem Vormittag, und in zwei getrennten Klassenzim-
mern dachten beim Zusammenpacken ihrer Sachen zwei Knaben ganz
das gleiche, ohne daß sie in der Pause nach der Turnstunde überhaupt
ein Wort gewechselt hätten.
Franz Chorinski dachte: „Ich muß mich beeilen. Hartung steht gewiß
schon vor der Lür und wartet auf mich.« — Fritz Hartung dachte: „Ich
muß mich beeilen. Chorinski steht gewiß schon vor der Tür und wartet
auf mich."
Und als der Fritz herunterkam und Chorinski mit den Büchern unter
dem Arm vor der Schule stand, war es ihnen beiden, als wenn sie sich
bestimmt verabredet hätten. Als sie dann, wie sonst über ganz Gleich-
gültiges plaudernd, an die Ecke gekommen waren, wo ihre Heimwege sich
trennten, sagte Hartung, nachdem sie ein Weilchen beieinander gestanden
hatten: „Ich kann dich ja noch nach Hause bringen, Chorinski . . ." Und
Hartung brachte Chorinski nach Hause. Als sie aber vor Chorinskis Woh-
nung angelangt waren, warf Chorinski — es war ja die Zeit, da noch
niemand daran dachte, ihm die Flügel seiner Ungebundenheit zu stutzen
— der Mutter, die gerade zum offenen Fenster herausschaute, seinen Schul-
ranzen mit einem „Ich komme in einer halben Stunde zurück« hinauf,
und kehrte um und begleitete nun wieder Hartung heim.
Als sie hinter das gelbe Haus an die Gartenpforte gekommen waren,
sagte Fritz Hartung: „Ich möchte dir gern mein Zimmer zeigen, Chorinski,"
j. Septemberheft 27A