Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

DOI issue:
Heft 24 (2. Septemberheft 1911)
DOI article:
Rundschau
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0446
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
fänglich über Nietzsche absprachen,
zuerst die Nasen hat einspannen las-
sen; wer weiß, ob Eugen Dührings
Lebensbeschreibung ihren Erfolg ge-
habt hätte ohne den dreikantigen
Titel „Sache, Leben und Feinde".
Nun, wenn ein geschickt gewählter
Titel dem Erwerb ewiger Güter
dient, warum nicht auch dem zeit-
licher? Aber die dem Merkur
dienstbare Muse wird oft geleitet
von Instinkten einer Natur, die
man in noch andere Tiergattungen
müßte fahren lassen dürfen, als die
im Evangelium vorgesehenen. —
Der Künstler und der Logiker (beide
sind nächste Verwandte) wird sich
bei einer Namengebung zunächst
fragen: was stellt die Sache vor?
und dann: wie finde ich einen
sprachlichen Ausdruck für ihr
Wesen? So aber fragt der Indu-
strielle in der Regel nicht; er fragt:
wie finde ich einen Titel, bei dem
der Hörer notgedrungen „Donner-
wetter" sagt? Hiermit reagiert denn
allerdings auch der gebildete Hörer
oft; er würde dies aber auch tun,
wenn er einen spitzen Hacken plötz-
lich mit Nachdruck auf der verwund-
barsten Stelle seines Fußes fühlte.

Ich gebe zunächst, was selten ist,
ein leidlich gelungenes Beispiel. Das
ist der Name der für die in Armee
und Marine eingeführte Faust-
feuerwaffe „Parabellum". Hält man
zugute, Laß für eine neue Sache
nun einmal das lateinische oder
griechische Lexikon herhalten muß,
so hat der Name Sinn. Nach-
dem nun aber meine Rede wie ein
Raubvogel um ihr Opfer gekreist
ist, kann sie jetzt gerade niederstoßen
auf das Gegenbeispiel: den Druck -
knopf. Das ist ein bescheiden sich
unterordnendes, und doch nicht wohl
zu entbehrendes Etwas, für das
ein grauer, sachbezeichnender Fir-
menname gefunden werden sollte.
Ich persönlich, als Bewunderer

Friedrich Theodor Vischers, würde
ihn in Anbetracht des Umstandes,
daß ich den „Drnckknopf" meistens
an den kritischsten Stellen meiner
Mitchristinnen schmählich Verrat
üben sehe, „das Objekt" schlechthin
nennen; doch begreife ich vollkom-
men, daß ein solcher Vorschlag von
den Fabrikanten kaum preisgekrönt
würde. Aber was für Druckknopf-
namen werden preisgekrönt! Da
bringt eine Firma einen Druck-
knopf „Kohinoor" in haudel, nnd
setzt Preise in Höhe von 4000 Mark
für den Vorschlag eines noch glei-
ßenderen Namens aus. Bleiben wir
zunächst einmal bei dem Kohinoor
und denken wir uns, bei irgend-
einer harmlosen Passantin wüchsen
sich die Druckknöpfe zn echten Imi-
tationen des Kohinoors aus. Von
der Wirkung dieses Vorganges anf
das Publikum will ich schweigen;
jedoch möchte ich dabei sein, wenn
die Dame den interessanten, aber
fraglos schmerzlich verlaufenden
Versuch machen wollte, sich zu setzen.
Nun, die Firma wollte einen noch
schöneren und ersichtlich noch voll-
tönenderen Namen. Wie wär's mit
„D r ead n o u g h t" gewesen? Das
ist zunächst nnd vor allem ein eng-
lischer Name, zweitens stellt er
ein respektables Schlachtschiff vor;
endlich hätte die Beruhignng des
„Fürchte Nichts" auf die Kauflnst
des Damenpublikums ganz gewiß
anregeitd gewirkt. Aber es kam noch
schlimmer. Zwar der „Kohinoor"
blieb der Welt erhalten, aber gleich
hinter ihm, mit einem Preis von
(OOO Mark gekrönt kam der Name
„Ganrisankar". „Herr Einsender,"
muß man da doch sagen, im Hin-
blick auf den Ort, an dem der Druck-
knopf vorzugsweise heimatberechtigt
ist, „wir leben nicht mehr im
Zeitalter der Luls — im Gegenteil.
Wenn einmal dennoch eine Berg-
bezeichnung beliebt wurde, dann

266 Kunstwart XXIV, 24
 
Annotationen