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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 24 (2. Septemberheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0481
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Lehrerstand oder Lehrer-
stände?

dem Evangelisch-sozialen
-^»-Kongreß, der Anfang Iuni in
Danzig tagte, wurde von Muthesius
und Margarethe Henschke über die
„Schule als Faktor der sozialen Er-
ziehung" gesprochen und die Aus-
bildung der Lehrer nach sozialpäda-
gogischen GrundsLtzen gefordert. In
der folgenden Aussprache betonte
Rade, wie not vor allem eine ge-
genseitige Verständigung zwischen
den Volksschul- und den akademisch
gebildeten Lehrern tue. Die ständi-
sche Zerklüftung in der Lehrerschaft
bedente einen der gefährlichsten un-
ter allen Schulschäden. Iede kleine
Lehrerschicht bilde einen eignen Be°
rufsverein, man müsse eigentlich
nicht nur von zwei, sondern von
dreißig und vierzig Ständen spre-
chen, die sich nicht verstehn. In der
Erziehung ist das Beispiel alles:
wenn die Schule nur im geringsten
zur sozialen Erziehung des Volkes
beitragen will, muß sie zuvörderst
selbst in ihrem eigensten Gebieto
soziale Gesinnung erweisen. Rade
forderte, da die einzelnen in
dieser Frage versagten, die großen
Organisationen auf, sich mit
dem Gegenstande in ihren Versamm-
lungen zu beschäftigen. Nun haben
leider gerade die Organisationen
bisher ihre Hauptaufgabe darin ge-
sehn, zum Leil sehn müssen: die
engsten und unmittelbarsten Be°
rufsinteressen zu wahren. Es wäre
trotzdem ihr eigenster Vorteil, wenn
sie mit ernstem Willen sich um ein
stärkeres gegenseitiges Verständnis
bemühten, statt etwa um den Titel
„Studienassessor" zu kämpfen.
Wertvolle Ansätze zu solcher Ar°
beit zeigt der bereits im Kunstwart
(XXIV, 9) erwähnte „Bund für
Schulreform", der seinem Pro-
gramm gemäß Lehrer aller Schulen

mit Eltern und Arzten zu gemein-
samer Beschäftigung mit den Fra-
gen der Erziehung vereinigt und
damit eine Verständigung der Fach-
kreise untereinander und mit dem
Publikum anstrebt. Der noch junge
Bund könnte, wenn er diese Auf-
gabe in den Mittelpunkt seiner Ar°
beit stellt und nicht etwa gegenüber
anderen mehr theoretischen zurück-
treten läßt, sehr bedeutsam wirken.
Wollen wir nicht mit unsrer allent-
halben an der Schule geleisteten
und von der Zeitentwicklung so
dringend geforderten Reformarbeit
steckenbleiben, so bedürsen wir
einer Sammlung der zersplitterten
und so vielfach einander entgegen-
arbeitenden Kräfte auf bestimmte
gemeiusame Ziele. Das vorzuberei-
ten scheint zurzeit geradezu die
wichtigste praktische Aufgabe in
Schulsachen. U

Ernst Horneffer

ist gar nicht mit dem einverstanden,
was Hans Herter im zweiten Mai-
heft des Kunstwarts gegen seiue Art
gesagt hat, die Vertreter der Geistes-
wissenschaften „feig und gewissenlos"
zu nennen, weil sie über öffentliches
Auftreten anders denken als Ernst
Horneffer und seine Meinungsge-
nossen. „Das Leben verlangt auch
shnthetische Lcistungen", schreibt
er in seinem Blatt, „die über alle
Bedenken hinwegkommen. Wohin
wollten wir im Leben gclangen,
wenn niemand mehr den Mut der
großen Verantwortung hat? Es
muß auch Strategen der Kultur
geben. Und wenn der berufene
Stand solche Männer nicht mehr
aufbringt, so darf er sich nicht
wundern, wenn er zur Verantwor-
tung gezogen wird." Sagen wir von
etwas weniger hochragendem Rich-
tergestühl: wenn gegen ihn gespro-
chen, gegen ihn gestritten, gegen ihn
gekämpft wird. Was aber hat das

2. Septemberhest (M <(0(
 
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