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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1912)
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Batka, Richard: Operettenmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0026

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Er zögerte ein Weilchen. „Nun — von mir und von einem Doktor
Müller. Noch unbekannt, aber riesig talentvoll..."

„Nun, hören Sie mal! Darin haben Sie recht: an der Operette
wird verdient. Man gibt sich nicht mit Kleinigkeiten ab, und wenn
Sie Ihr Werk hier anbringen, zahlt man Ihnen ohne weiteres Ihre
20 000 Kronen und mehr als Vorschuß aus die Hand." In seinen
Augen leuchtete es aus. „Dann: Wien ist in der Operette allerdings
ein Hauptplatz. Mehr noch: der Hauptplatz. Hier werden die großen
Lrsolge gemacht. Bringen Sie die Operette in Leipzig oder Berlin
heraus, so wird sie im besten Falle noch von einem Dutzend Theater
nachgespielt. Dann ist Schluß. Nur von Wien aus gehen die Ope--
retten, die guten wie die schlechten, in die Welt..."

„Gut. Darum bin ich ja hier und will in die Welt gehn!"

„Aber stellen Sie sich's nicht so einfach vor, hier anzukommen."

„Wenn Sie mir nur die Gelegenheit schaffen, meine Arbeit vor-
zuspielen, so ist mir nicht bange. Was hört man doch auch hier für
Operettenschund! Warum soll der Direktor so unvernünstig sein,
nicht lieber eine gute, wirksame Sache nehmen, als eine sade und
schlechte?"

„Als wenn die Gesetze der Vernunft auf dem Operettenmarkt
gälten! Zunächst, Bester: glauben Sie, die Buchfabrikation absatz--
fähiger Operetten sei ein sreies Gewerbe? Irrtum, sie ist das Mono--
pol einer Gruppe, eines Dutzends von Skribenteir, die den »Ring«
bilden. Kein Wiener Operettendirektor wird ein Werk annehmen,
das nicht zum mindesten den Namen eines der Mitglieder dieses
Ringes trägt."

Er sah mich ungläubig an. „Ia, das wäre ja geradezu verzweifelt!
Das wäre eine unerträgliche Tyrannis."

„Nennen Sie es, wie Sie wollen. Äbrigens gäbe es immerhin
noch Mittel, dieser Sache ihre Härten zu nehmen. Wenn man näm-
lich Beziehungen hat, findet sich wohl ein Ringmensch bereit, seinen
Namen gnädigst mit auf das Buch zu setzen. Sie müssen ihm natür-
lich dafür — sagen wir: die Hälfte der Einnahmen abtreten. Sie
glauben es nicht? Ach, es soll hier Leute geben, die gerade von den
Büchern, die sie nicht geschrieben haben, die reichsten Prozente
ziehen!"

„Was Sie nicht sagen! Aber das wäre ja ein Skandal! And
dagegen lehnt sich niemand auf? Anerhört! Anmöglich!"

„Wer sollte sich dagegen auslehnen? Sollen's die Komponisten?
Vergessen Sie nicht, daß es sich bei der Annahme von Operetten
um fünfstellige Zahlen handelt. Da macht man mit dem, der einem
dazu verhilft, wenn auch zähneknirschend, Halbpart. Oder sollen sich
etwa die Verleger auflehnen? O, von denen haben sich die Theater-
direktoren dadurch unabhängig gemacht, daß sie selbst Verlagsunter-
nehmer wurden..."

„Davon weiß ich. Nur: sie können dabei doch nicht viel erreichen.
Solcher Schund! Aber freilich, freilich, die Wiener lassen sich ja
alles bieten, man spielt ja hier die elendigste Operette gleich ein paar
hundertmal serienweise ab!"

„Hören Sie, Sie sind nicht im Bilde. Die Wiener sind durchaus

j0 Kunstwart XXVI, I
 
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