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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1912)
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Mangoldt, Karl von: Kleingärten und Volkskultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0034

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flotten Kantinenbetrieb in den Kleingartenkolonien sich schadlos zu halten
suchen. Auf diese Weise dienen die Berliner Laubenkolonien jetzt in vielen
Fällen geradezu der Förderung des Alkoholismus. Im Interesse
der Generalpächter ^ liegt es da natürlich auch, auf den Kolonien möglichst
viele „Feste" — Erntefest, Familienfest, Kinderfest — abzuhalten. Bei
einem solchen Feste wurden in einer Kolonie an einem Sonntag 600 Kasten
Bier geleert, woran der Generalpächter allein 360 Mark verdiente. Das
Erntefest dauert manchmal acht Tage und so weiter. Das sind wirklich
Verhältnisse, die auch der Berliner Stadtverwaltung nichts weniger als
zum Ruhme gereichen.

Faßt man alles Angeführte zusammen, so zeigt sich wieder einmal, daß
der Segen guter Einrichtungen durch unsere sozialen Verhältnisse aufge-
hoben, ja in Tlnsegen verkehrt werden kann. Es ist eben eine alte Wahrheit,
daß wirkliche Volkskultur sich auf die Dauer nur auf
gesunden sozialen Grundlagen erheben kann.

Was hier vor allen Dingen geschehen müßte, das wäre die Sicherung
dauerndenBodens. Die einzelne Kolonie muß aus einer Anlage, die
periodisch immer weiter hinauswandern muß, zu einem dauernden festen
Bestandteil der ganzen Ortsanlage werden, die an der Stelle bleibt, wo sie
einmal ist, so gut wie öffentliche Parke, Rennbahnen, Bahnhöfe und der--
gleichen. Mit andern Worten: dieses große Volksbedürfnis muß seine ge--
regelte Befriedigung innerhalb unsrer Gesamtbebauungspläne
und durch sie finden. Damit würde die Neigung der Bevölkerung, sich dem
Kleingartenbau zuzuwenden, außerordentlich wachsen und nicht nur die
wirtschastlichen und sozialen, sondern auch die ästhetischen Vorteile, das
äußere Aussehen, die ganze künstlerische geschmackvolle Gestaltung der Kolo-
nien sich ungemein heben. Soweit aber das Kolonieland nicht dauernd ge-
sichert werden kann, müßten wenigstens möglichst langsristige Pachtverträge
an Stelle der kurzfristigen treten. Im übrigen eignet sich dieses ganze
Feld hervorragend zum reformatorischen Eingreifen für die
Gemeinden und für die gemeinnützige private und korporative
Tätigkeit. Soweit irgend möglich, muß die Verpachtung an Gene-
ralpächter, die aus der Sache einfach ein Geschäft machen, ersetzt
werden durch unmittelbare öffentlicheVerwaltung nicht auf fiskali-
scher, sondern auf sozialer Grundlage oder durch einen gemeinnützigen
Betrieb einschlägiger Vereine.

In der Tat sind auch schon eine große Zahl deutscher Gemeinden in
dieser Weise vorgegangen. Sie haben damit sehr gute Erfolge erzielt.
Selbst die Stadt Berlin besitzt im Norden von Groß-Berlin im Anschluß
an einen ehemaligen Gutshof in Blankenburg eine große, musterhaft,
ohne Generalpächter, von der Stadt verwaltete Kleingartenkolonie.
Ebenso haben auch schon viele Vereine gemeinnützig gehandelt. Wir
nennen nur die bekannten Schreber-Vereine in Leipzig, ferner das Rote
Kreuz, die Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise. Trefflich

* Daß in einzelnen Städten wohlwollende und volksfreundliche
Männer „Generalpächter" geworden sind, wissen wir. Solchen Männern
ist sehr zu danken, aber an der Verwerflichkeit der Einrichtung als
solcher ändert es natürlich nichts, wenn einzelne freiwillig das Schlechte
ins Gute wenden.

s8 Kunstwart XXVI, l ^
 
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