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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1912)
DOI Artikel:
Stapel, Wilhelm: Kunstgeschichte für Kunstgenuß?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0123

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modernes, und wird auch nicht etwa nach einigen Sekunden der Be-
friedigung zum nächsten weiterschreiten — um schließlich alles wieder
zu vergessen. Der zweite Band freilich geht schon sehr beträchtlich auf
Stilkritik und kunstgeschichtliche Zusammenhänge aus und uimmt dabei
auf manches Bezug, 'was man aus den beigegebenen Abbildungen nicht
selbst ersshen kann.

Ganz allgemein für Laienkreise geschrieben und mit einer Fülle von
Bildchen aus allen Zeiten und Gebieten der Kunst ausgestattet ist Paul
Brandts „Sehen und Erkennen" (Hirt L Sohn, Leipzig, 5 M.).
Die kurzen Betrachtungen verweilen nicht so eindringend bei einzelnen
Werken, sie heben das für die Stilentwicklung Wesentlichste heraus und
zeigen es an bezeichnenden Beispielen auf. Das kann den Leser und
Betrachter leicht zu dem Irrtum verführen, er habe nun in dem Wissen
um dieses Wesentliche, in diesen auf ästhetische und historische Allgemein-
begriffe auslaufenden Abstraktionen oder in diesen kurzen Charakterisie-
rungen psychologischer Vorgänge das Kunstwerk ausgeschöpft. Es kann
ihn weiterhin dazu verleiten, bei neuen, ihm noch sremden Bildern,
Bauten usw. nur auf „Entwicklungslinien" zu achten und danach die
Werke selbst zu werten. Aber wenn man das Brandtsche Buch mit
dem Bewußtsein dessen, was es geben kann und was nicht, benutzt,
wenn man das im Titel ausgedrückte Programm: Sehen und er-
kennen berücksichtigt, kurz, wenn man sich von ihm einfach auf Wesent-
liches hinleiten läßt, ohne Erkennen und Genießen zu verwechseln, so
kann es wertvolle Dienste leisten und ist rein historischen Darstellungen
des Stoffes weit vorzuziehen.

Die drei angesührten Werke halten sich ziemlich streng an das bei-
gefügte Bildermaterial und wollen nichts geben, was der Leser nicht
an den Illustrationen nachprüfen kann. Ganz anders verfährt Wil-
helm Waetzoldt in seiner „Einführung in die bildenden Künste"
(2 Bände sür (0 M., bei Hirt L Sohn in Leipzig). Er gibt einen
streng systematisch geordneten Äberblick über alles das, was für eine
ästhetische Betrachtung und Würdigung von Kunstwerken in Betracht
kommt. Rnd dabei gibt er etwas oft Entbehrtes, sehr Dankenswertes:
er stellt bei der Behandlung der einzelnen Kunstgebiete stets eine Be-
schreibung des Technischen voran. Gerade das fehlt dem Laien am
meisten, und doch ist es so wichtig, um ein persönliches Verhältnis zu
den Kunstwerken zu gewinnen. Die Ausführungen Waetzoldts über
Wesen und Zwecke der einzelnen Künste, über ihre Kunstmittel usw.
sind außerordentlich vielseitig, klar und gediegen. Auch wenn man mit
einzelnem nicht einverstanden ist, wird man doch immer anerkennen, daß
Waetzoldt nie ohne Gründe so urteilt, wie er urteilt. Nur muß man
für den Laien betonen: diese Arteile sind nicht als absolut, nicht als der
Weisheit letzter Schluß zu betrachten. Anter Berücksichtigung der neuesten
Erkenntnisse niedergeschrieben, werden sie durch noch neuere Erkenntnisse
zu ergänzen und zu verbessern sein. And auch hier gilt wieder unsre
Warnung: das Buch vermittelt nur Lrkenntnisse, darum „bleibt
stecken", wer dabei stehenbleibt. Wer es gelesen hat und dann in der
Meinung, er kenne ja nun alle Prinzipien der Kunstbeurteilung, sich
als Kritiker aufwirft, der ist in Wahrheit um seine Mühe betrogen.
Das Buch bietet uns eine Fülle von Anregungen, wie wir uns zu

2. Oktoberheft ^
 
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