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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1912)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0153

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Und alle Menschen, einer hinterm andern, müssen
Daselbst die Steine jenes heilgen Felsens küssen,

Dann auf den Knien rutschen bis zum Eingangstor
Der Schlucht, aus der sie sslbst, die Holde, sprang hervor.
Und Fasten herrsche jenen Tag im ganzen Lande
Zur Rückerinnerung an eure ekle Schands."

Den Spruch getan, entfernt er sich mit raschem Schritte.

Sieh Epimetheus, bangend auf des Wegss Mitte.

„Ha! Dieser! Sieh ihn!" schrie sein Schmerz, der Rache kochte,
Bis der Verstand ihm mahnend ans Gedächtnis pochte:

„Ein treuer Hund, der einst ein Perlenhalsband fand,
Zerzauste das in seinem Hundeunverstand.

»Für deine Autat«, schrie der Herr, »tut Rache not«,

Ergriff den Stock und schlug den treuen Wächter tot.
»Amen,« entbot der Wols, »nun kannst du ruhig schlafen«

Aud würgt ihm nächste Aacht die Kinder samt den Schafen.
Nun überlaß ich deinem Arteil, zu entscheiden:

Wer von den beiden war der Dümmste von den beiden?"
Folgsam, den klugen Ratschlag des Verstandes nützend,

Schritt er, beiseite schauend und die Augen schützend
Mit einer Hand, an Epimetheus rasch vorüber,

Dann über seine Schulter gab er ihm hinüber:

„Einsicht und Lugend sind verschiedne Schwestern. Zieh!
Doch drei, vier Wochen, rat ich, aus der Sonne flieh.

Halt dich, so lang es Lag ist, weislich im Verstecke,

Daß nicht dein Anblick nachderhand die Strafe wecke.

Des Rachts dagegen, scheint der Mond nicht gar zu helle,
Magst du ein wenig auf und ab gehn vor dsr Schwelle."
Mit solchem stieg er weiter in das düstre Grab
Der dämmernachtumhüllten Länderflur hinab,

Mutlos und geistverlassen, dumpfem Schmerz zum Raube.

Auten im Felde siel er auf die Knie im Staube.

And nach der Richtung Leib und Angesicht gedreht,

Woher sie angekommen, rief er das Gebet:

„Pandora, heilige Iuugsrau, hohe, hehre Maid,

Schau meine tiefe Scham, mein reuig Herzeleid
Am alles, was die Menschen schnöd dir angetan.

Allein zu deiner Gnade bet ich: sieh's nicht an.

Denn ach! es ist ein arm, unseliges Geschlscht.

Verderben ist sein Los, Verzeihung ist ihm recht.

Laß deine Güte walten, deine Langmut weilen,

Den bittern Schmerz des Andanks durch Erbarmen heilen.
Erhöre mein inbrünstig Flehen: kehre wieder,

Steig abermals zu Tal auf jungen Füßen nieder,

And deine goldnen, herrlichen Geschenke reich:

Tu das aus freier Gnade, tu's fürs Gottesreich."

2. Oktoberheft M2 s2s j
 
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