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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 3 (1. Novemberheft 1912)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0235

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Da zog der Professor ganz stolz ein Pack Generalstabskarten aus der
Tasche und schwenkte sie hin und her.

„Man kann nicht umsonst Karten lesen, verehrter Freund. Man hat
nicht umsonst sein halbes Leben lang mit dem Zeigefinger Partien auf
der Landkarte gemacht! . . . Ia, ja! die Theorie! ... sie ist doch etwas
wert!"

Er machte plötzlich eine unsichere Bewegung gegen die Fuchstaler hin.
So als hätte er sie eben erst jetzt entdeckt.

„Darf ich vielleicht bitten, der Dame vorgestellt zu werden?"

Für einen kurzen Augenblick entstand ein verlegenes Schweigen. A-ber
dann sagte Iohannes Arlet mit einer großartigen Handbewegung:

„Professor Meser — Elisabeth Fuchstaler, all unsere Nährmutter/
Und der Professor ging aus sie zu und faßte sie an der Hand.

„Ich dachte es mir.Lassen Sie mich auch Ihnen danken, meine

verehrteste Gnädige, . . . für alles Gute, was Sie meinem Sohn getan
haben! . . . Ich weiß schon, ich weiß! . . . Er hat mir geschrieben! Er

hat geschwärmt!" Dabei lachte er laut auf und tätschelte die Hand der
Fuchstaler, „nichts für ungut! und vielen Dank auch im Namen der
Mutter.«

Dann breitete er die Arme gegen das Wohngebäude aus, so heftig,
daß er den Stock beinahe weggeschleudert hätte.

„Nnd das ist also der ödhof?"

Arlet streifte den Alten mit einem gutmütigen Lächeln.

„Ia, Professor, . . . das ist der Sdhof. Der stellt sich selbst vor, nicht
wahr?"

Nnd der Professor stand einen Augenblick wie in tiese Andacht ver-
sunken.

„Herrlich, herrlich!" sagte er endlich leise und trat auf seinen Sohn
zu. — „Mensch, du weißt ja gar nicht, was für ein Glück du hast, daß
du hier leben kannst!" . . . Dann nickte er Arlet verständnisinnig zu,
„die Iugend hat's gut, mein Freund! . . . Die, die nach uns kommen."

Aber Arlets Gesicht nahm einen Ausdruck tiefgekränkter Verwunde-
rung an.

„Ia, sind wir denn schon alt?"

Da stieß der Professor plötzlich seinen Stock gegen die Erde, wie vor
irgendeiner feierlichen, heiligen Handlung.

„Nein! Recht haben Sie, verehrter Freund! . . . Nur wollen muß
man! Wollen!. . . ^uveneg clum sumu^!"

„No also," sagte Arlet und schob ihn vor sich her, „aber jetzt gehen
wir. Der ödhof wartet schon mit osfenem Maul und ofsenen Armen?'

Da bot der Professor der Fuchstaler mit einer zierlich ausscharrenden
Verbeugung den Arm und ging voran. Der junge Doktor Meser aber
solgte an Arlets Seite mit einem fassungslosen Kopsschütteln.

„Ich erkenne meinen Vater nicht mehr."

Arlet blieb stehen.

„Wieso?«

„Das ist ja ein ganz anderer Mensch! . . . So habe ich ihn nie ge-
sehen.«

„Wie war er denn?" fragte Arlet.

Aber der junge Meser gab ihm daraus keine Antwort. Er sagte nur

tz Novemberheft W2
 
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