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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 4 (2. Novemberheft)
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Müller-Guttenbrunn, Adam: Reform der katholischen kirchlichen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0303

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Düsseldorf unternommenen Versuche, durch Ausstellungen befruchtend auf
die kirchlichen Kreise zu wirken. Sich an jenen Ausstellungen kirch-
licher Kunst zu beteiligen, war indessen unmöglich. Es gab nicht nur
kein neueres Kunstwerk, das man hätte darbieten können, man entdeckte
auch, daß selbst das Kunstgewerbe den kirchlichen Aufgaben völlig ent-
fremdet worden war. Das berühmte Wort „Billig und schlecht" hatte zu
lange Geltung gehabt in der katholischen Kirche.

Unsichtbare Hände aus hochmögenden Kreisen griffen nun nach und
nach ein, um dem Unheil zu steuern. Man tat Geld in den Beutel und
schrieb Wettbewerbe aus für religiös-künstlerische Aufgaben, man lud
die Vertreter aller Richtungen ein, die der modernsten sogar zuerst. Warum
sollte die Kunst unserer Zeit nicht vermögen, was alle früheren Kunst-
zeitalter vermocht haben? Aber einige dieser Wettbewerbe blieben ohne
Ergebnis, die Entsremdung zwischen Kunst und Kirche ging zu tief. Die
meisten Künstler glaubten, ältere Vorbilder nachahmen zu müssen, sie
waren ganz befangen, denn es waren ihnen sslbst an der Akademie, in
ihrer Lehrzeit, keine kirchlichen Aufgaben mehr gestellt worden. Und die
nicht nachahmten, verfehlten häufig das Ziel, Erhabenes so darzustellen,
wie das die Kirche nun einmal im Rahmen ihrer liturgischen Gesetze
fordern muß. An diese Gesetze haben sich auch die großen alten Meister
gehalten und die konnte man nicht ändern. Zur Andacht muß der
Anblick eines Kunstwerkes den Beschauer stimmen, das forderte man.
And die wiederholten Wettbewerbe vermittelten allmählich eine Annähe-
rung zwischen Kunst und Kirche, man machte auf beiden Seiten kleine
Zugeständnisse. Die Künstler kamen mit Prälaten und Bischöfen in Be-
rührung und hörten die Wünsche kunstverständiger Besteller, der Klerus,
dem die moderne Kunst nur als eine Entartung erschien, lernte, sie mit
andern Augen zu sehen. Bis nach Rom zog die Bewegung ihre Kreise,
sie scheint auch dort gebilligt worden zu sein.

Und jetzt endlich ist man so weit, öffentlich mit den Ergebnissen dieser
Bestrebungen auftreten zu können. Anläßlich des „Eucharistischen Welt-
kongresses" wurde die erste „Ausstellung Kirchlicher Kunst" vom Wiener
Fürsterzbischof Or. Nagl im österreichischen Museum feierlich eröffnet, der
Legat des Papstes hat sie ebenfalls als eine ganz offizielle Angelegenheit
der Kirche behandelt. Unter den Bestellern aber, die der Katalog ver-
zeichnet, ist auch der Papst selbst genannt. Zehntausende von fremden
katholischen Geistlichen, die nach Wien gekommen waren, haben diese
Ausstellung besucht. Sie wissen jetzt, was möglich und statthaft ist in
Gotteshäusern und sie haben gesehen, was die moderne Kunst und das
heutige Kunstgewerbe zu leisten vermögen.

Das ist nämlich ein kennzeichnendes Merkmal dieser Ausstellung, daß
sie keine Ausstellungsware bietet, keine persönlichen Versuche, nein, was
da für drei Monate zur Schau gestellt wurde, das sind Lösungen von
Künstlern für ganz bestimmte kirchliche Aufgaben an ganz bestimmten
neuen und alten Stätten des Gottesdienstes. Da sind Altäre für gotische
Kirchen, Monstranzen für Gnadenorte, geistliche Prachtgewänder aus ganz
neuen, federleichten Stoffen, Statuen von Heiligen, moderne Altarbilder
und einzelne Gestalten, Glasmalereien für alte und neue Kirchen, da ist
geschnitztes Chorgestühl aus der modernsten Kunstgewerbeschule, da sind
Beichtstühle und ganze Sakristeieinrichtungen in Holz ausgeführt, Lrag-

2. Novemberheft 2§S
 
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