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Hans von Dolkmann, Federzeichnung
Gleich den folgenden Bildern von demselben Maler ans dem Eigen-
brodtschen „Heimatbüchlein" (Verlag von Beyer L Söhne in Langensalza)
willigt in eine vorher verweigerte
Verlobung, weil sich herausge-
stellt hat, daß der unbeliebte
Schwiegersohn ein heimlicher Krö-
sus ist, ein totgeglaubter Bräuti-
gam kehrt von der Schutztruppe
zurück, ein hartherziger Hausherr
wird durch die Kinder seiner armen
Mieterin umgestimmt und zur
Wohltätigkeit veranlaßt, „durch ein
Zeitungsblatt aufmerksam gemacht"
findet ein verlassener Großvater
sein verlorenes Enkelkind. Das
allesamWeihnachtsabend.
An diesem Abend trieft die Welt,
wie sie sich in diesen Weihnachts-
stücken spiegelt, von „poetischer Ge-
rechtigkeit", wie ihre Verfasser sie
verstehn, von Gemütsyrup und
Tränenschmalz. Vor allem aber:
sie knallt nur so von Aberraschun-
gen. Weihnachten ist die Zeit, da
man erstens bekommt, was man
gern haben möchte, und da man
zweitens überrascht wird. Zu dieser
einfachen und angenehmen Auf-
fassung des Festes haben sich offen-
bar die Begriffe weiter Kreise ver-
dichtet.
Welch ein Tiefstand unsrer Fest-
kultur offenbart sich, wo das an
Gefühls- und feinsten Stimmungs-
werten so überreiche Kinder-, Haus-
und Heimatfest so mißbraucht wird!
Iahrhunderte deutscher Kunst und
deutschen Lebens haben daran ge-
schaffen, den Gehalt der lieblichen,
so ganz undogmatischen und un-
hierarchischen, echt volkstümlichen
Legende zu vertiefen und zu ver-
feinern, und diese weichliche, tränen-
selige, billige, dummschlaue Rüh-
rungsmache soll für weite Kreise
unsres Volkes das Ergebnis sein?
Ganze Kleinstädte samt ihren
„feinsten" Honoratiorenfamilien,
aber auch in Großstädten mancher
Geselligkeitsverein und auf dem
Lande manche Dorfgemeinde werden
aber tatsächlich mit solchen Bettel-
suppen gespeist. Wenn nicht da-
neben doch noch die alte Kinder-,
Heim- und Heimatsfreude in schlich-
ten und gediegenen alten Gewohn-
heiten weiterblühte: diese Art von
vereinsmäßigem Weihnachtsbetrieb
könnte die Vorstellung erwecken,
daß in vielen Kreisen Weihnachten
tot sei. Zumal wenn man noch
das „Weihnachtsmärchen" hinzu-
2. Dezemberheft
H25