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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0201
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Zeichenflächen.

zugeschriebenen Meisters findet man die Darstellung eines Jünglings mit Mantel
und Zendel, der auf seinem Knie ein Täfelchen hält und aufmerksam zeichnet
(Abb. 60) \

Wachs* Weil man mit einem Täfelchen nicht auskam, wurden mehrere von gleicher

Libretti. Größe auf der linken Seite, nach Art der Buchblätter, an zwei Stellen durch;

locht und mittels dünner Riemen oder Schnüre zusammengefügt (Libretti
oder Büchlein). Auch hier bildeten die dem römischen Geschäftsleben ent*
stammenden Klapptäfelchen den Ausgangspunkt, die sich durch das ganze
Mittelalter verfolgen lassen2. AJs später Beleg diene ein allerdings noch Schreib*

zwecken dienendes, unpubli*
ziertes Exemplar aus der Nähe
des Klosters Steinheim im
Württembergischen. Es zeigt
neunzehn vertiefte Wachs*
Seiten mit einer letzten Ein*
tragung von 1475 (Abb. 61)3.
Wie früh sich im Norden der
Ubergang von den Übungen
der Schreibkunst zu jenen
der Zeichenkunst vollzogen
haben mochte, läßt sich aus
Notker in der Erklärung des
«Boethius» erkennen: Übe ih
mit minemo grifile an einem
wahse gerizo formam ani*
malis4. Demnach war das
Wachszeichnen noch um Ein*
tausend im Gebrauch. Der
allgemeine Umtausch von
Wachs gegen Pergament scheint erst im Verlaufe des 13. Jahrhunderts statt*
gefunden zu haben. Eine Stelle aus Dantes Vita nuova, worin es heißt, daß der
Dichter in Erinnerung an den Tod der Beatrice die Figur eines Engels auf

1 Uff. 120. Aus dem aufgelösten, früher mit Maso Finiguerra und anderen Namen,
heute Scuola di A. Pollaiuolo benannten Skizzenbuch. Ulmann, Bilder und Zeichnungen
der Pollaiuoli. Jahrb. d. pr. Ks. 15, 245.

2 Bei den Römern wurden derart zusammengefügte Täfelchen Diptycha, Triplices,
Multiplices genannt. Nach Wattenbach lassen sie sich bis ins 14. Jahrhundert herauf nach-
weisen (S. 55). Das hier unter Nr. 61 abgebildete reicht bis 1475. Wattenbach nennt zwei
derartige Wachstäfelchen (Paris), welche bei einer Mumie in der Gegend von Memphis
gefunden wurden und ungeschickt geschriebene Alphabete zeigen (S. 56). Fünf andere
(New«York) enthalten — von verschiedenen Händen — immer ein und dieselben Menander»
Senare in Abschrift (S. 56). Aus christlicher Zeit genüge hier die Stelle aus dem Leben
des Bischofs Wolfgang von Regensburg, der sich, um die Jugend zum Lernen anzuspornen,
häufig ihre Übungen aufzeigen ließ: frequenter vohüt tabulas eorum cernere dictales.
(Wattenbach, S. 68.)

3 Sammlung A. Figdor, F 2930, 10X5 5 cm. Der Eisengriffel fand sich wohl erst
später dazu.

4 Hattemer, Denkmale III, 148 (Boethius, Consolatio).

Abb. 61. Wachstäfelchen um 1475 mit Eisengriffel.
 
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