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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0579
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Hilfszeichimngen.

p. 88 und LXXXI) gibt den Nachweis, daß Michelangelo anfangs 1518 in
seinem Hause in Rom Kartons verbrennen ließ. Andere wieder verschenkte
er, so jenen zur Trunkenheit Noahs an Bindo Altoviti (Vas. Mil. II, 271).

Nichtsdestoweniger waltete über mancher dieser wertvollen Hilfszeichnungen
oft ein gütiges Geschick. Schüler oder Freunde nahmen sich ihrer an1. Jene
großer Meister oder verehrter Lehrer wurden als kostbare Stücke eingeschätzt
und weitergegeben. Carlo Maratta besaß z. B. den Riesenkarton des Annibale
Carracci zum Bacchanale in der Galleria Farnese2.
Karton« Am häufigsten ereignete es sich, daß man aus beschädigten Kartons einzelne

Ausschnitte. gUte Teile herausschnitt und als Erinnerung aufbewahrte, hübsche Köpfe oder
Hände, die dann Zeichnungen gleich geachtet wurden. In dem erhaltenen
Inventare des Cav. Francesco Raspantino vom 4. April 1664 finden wir unter
den Kartons des Domenichino und der Carracci bereits solche Ausschnitte
verzeichnet: Chartone di 2 teste, Chartone di un mezzo puttino, 3 Chartoni
teste, una testa della fovtezza, fatta a S. Carlo . . . (Bertolotti, Artisti Bolognesi,
Merkmale, p. 170). Derartige Ausschnitte erkennt man leicht an der breiten Behandlung
sowie an den durchlochten oder gegriffelten Konturen, häufig mit durchrissenen
Stellen. Die zusammengefügten Bogen zeigen an den Kleberändern viele kleine
Fältchen, die auf das flüchtige, mit sehr nassen Klebstoffen erfolgte Aneinander«
fügen zurückzuführen sind. Manche tragen Ziffern, die noch auf die während
der Arbeit entstandene Zerteilung in kleinere numerierte Stücke hinweisen,
oder die Nummern entsprechen den horizontalen und vertikalen Quadrierungs«
linien der Vorzeichnung. Manche der zerschnittenen Teile wurden noch vom
Künstler selbst auf der Rückseite für andere Studienzwecke ausgenützt. So z. B.
jener Rest von der Hand Ghirlandaios mit einem Frauenkopf für S. Maria
Novella3. Fast alle größeren Sammlungen verwahren ein oder das andere Stück
in ihren Mappen und bieten der Forschung manche hübsche Aufgabe, den
Zusammenhang der auseinandergeratenen Teile und dieser mit dem jeweiligen
Bilde herauszufinden4.

2. Pausen (Bausen).

Abcopiren, Patrone — Calco, Calcare, lucidare, copiare via di luce — Calque, calquer,

contretirer — Poncis.

Um Zeichnungen, Gemälde oder Kupferstiche, aus welchem Grunde immer,
auf eine andere Fläche zu übertragen und dabei das Original soweit als möglich
zu schonen, erfand man frühzeitig Mittel und Wege. Es gab in der Kunst so

1 Domenichinos Kartons wurden fast in Gänze noch 23 Jahre nach seinem Tode von
dem Cav. Francesco Raspantino unter Schloß und Riegel aufbewahrt. (Vgl. Inventario del
Cav. Fr. Raspantino von 1664 in: Bertolotti, Artisti Bolognesi, p. 168.)

2Bellori, Vita C. Maratta, Ausg. Pisa, 1821; heute in London.

3 Kartonrest Ghirlandaios, Kopfstudie zur Geburt Mariens (S. Maria Novella) mit Pause»
löchern. Reproduction of drawings, Collection of the Duke of Devonshire, Taf. 22, 23.

4 Beispiele: Perugino, Kopf zur Beweinung Christi, Oxford. Fischel, Z. d. Umbrer,
Nr. 42, Abb. 112. — Leonardos Kartonfragment zur Schlacht von Anghiari in: Colvin,
Oxford Drawings, Bd. I, Taf. 22. — Meder, Zwei Kartonzeichnungen von Giulio Romano.
Jahrb. d. kunsth. S. d. Kh. XXV, S. 80, Taf. X, XL
 
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