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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0691
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644

Die Sammler.

Gesichtspunkte vor, derer teilweise bei der Würdigung der Handzeichnung
(S. 16) gedacht wurde. Gegenüber den vielen Meistern, die daraus für sich
und ihre Schüler Nutz und Gewinn, Anregung und Erholung zu schöpfen
wußten, stand auf der Liebhaberseite die große Anzahl vornehmer Naturen,
die sich auf diesem erlesenen Pfade der hohen Kunst zu nähern suchten, mit
Ehrfurcht vor dem künstlerischen Schaffen die flüchtigen und vollendeten
Zeugen der Werkstatt opferwillig zusammentrugen und vor Vernichtung be*
wahrten. Die historische Entwicklung größerer Kabinette nennt uns eine Reihe
gesellschaftlich oder geistig hochragender Persönlichkeiten, die ihren aus nah
und fern stammenden, kostbaren Schätzen all ihre Mußestunden widmeten und
uns durch diesen intimen Kultus ihr Andenken in einem noch helleren Lichte
erscheinen lassen (Herzog Albert von Sachsen sTeschen).
Künstlers In erster Linie waren es wohl dankbare Schüler, die Zeichnungen ihrer

Sammler. Lehrer oder anderer berühmter Meister aus Verehrung, nicht minder aber des
geistigen Gewinnes und steter Anregung halber an sich brachten. Grimmer, ein
Schüler Grünewalds, «hat, was er von ihme können zusammentragen, fleissig
aufgehoben. Absonderlich hat er nach seines Lehrmeisters Tod von desselben
Wittib allerhand herrliche Handrisse, meistens in schwarzer Kreid und theils
fast LebenssGrösse gezeichnet, bekommen, welche alle nach dieses Grimmers
Ableben obgedachter Philipp Uffenbach (Grimmers Schüler) als ein nachsinns
licher berühmter Mann an sich gebracht1». Dabei wechselten die Gesichtspunkte
von einem zum andern. In der Regel sammelte man während der Wanderschaft
für die eigene zukünftige Werkstatt Mustergiltiges, um daran zu lernen oder
lernen zu lassen. Kamen hier nur Unterrichtszwecke in Betracht, so trat bei
anderen, wie z. B. bei Vasari, bereits ein historischskritisches Prinzip zu Tage,
jedem einzelnen Künstler gerecht zu werden und ein Entwicklungsbild der
Zeichnung zu geben, selbst wenn manche Blätter von seinem Standpunkte aus
«mehr plump als gut» erscheinen mochten2. Bei der Mehrzahl galten glanzvolle
Namen, die einen Schmuck des Atelierbestandes bilden sollten. Guido Reni kaufte
in Rom einen berühmten Band mit 100 RaffaelsZeichnungen3. Maratta hatte nach
Malvasia eine reiche Sammlung von DomenichinosBlättern (infinitä di disegni,
che ho veduto in Roma, III, 483; IV, 337). Vielfach erhielten sie die Weihe
der Freundschaft und des Gedenkens. Man verehrte einander gute Studien, ein
Brauch, der sich durch alle Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag erhalten hat.
Raffael sandte 1508 Francia ein Presepe und ersuchte dafür um die Historie der
Judith als Gegengabe4. Michelangelo schenkte seinem Schüler Antonio Mini den
LedasKarton und viele andere Zeichnungen5. Geistliche Maler wie Fra Bartolommeo
hinterließen ihre Schätze dem Kloster und den Nutzgenuß den Schülern. Etwas
Gewöhnliches war es, wenn Lehrer dem abziehenden Gehilfen ein Erinnerungsblatt

1 Sandrart, T. A. I, 236.

2Vas. Mil. I, 258.— Über die Sammlung Vasaris: Springer, Kunstgesch. III, 124.— Alph.
Wyatt: Le libro dei disegni du Vasari, Gaz. des Beaux Arts IV, 1859, p. 329-351.

3 Se si trovavano il libro famoso de' cento disegni di mano tutti di Rafaelle, che
comprö Guido in Roma (Malvasia IV, 58).

♦Guhl, Künstlerbriefe I, 123.

5 Vas. Mil. VI, 620; VII, 201, 276-277.
 
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