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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0124

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Eine christlich-arabische Daniel-Apokalypse

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In nur einer, allerdings vollständigen Pariser Handschrift^ lieg eine arabisch ge-
schriebene christliche Weissagung vor, die angeblich auf Daniel zurückgeht und in
bezug auf die Rolle des Endkaisers mehrere Besonderheiten aufweist. Ihr zufolge
soll der als Prophet bezeichnete Daniel eine Reihe von Visionen seinem Schüler Ezra
mitgeteilt haben: Ein Engel steigt vom Himmel herab, der Daniel im Auftrag Got-
tes eine Schriftrolle überbringt. Darin wird der Menschheit eine harte Zukunft mit
schwersten Prüfungen vorausgesagt. Daniel sieht in der Schriftrolle eine aus der
Wüste kommende Schlange mit zwölf Hörnern auf dem Kopf und neun Ruten auf
ihrem Ende prophezeit sowie eine Abfolge von verschiedenen Tieren, welche die
Erde beherrschen. Teilweise ist auch von Hörnern und Flügeln die Rede.
Unter anderem erblickt Daniel in einem schwarzen Land der Gewalt einen
einzelnen Flügel, der unter den Flügeln (wessen?) hervorkommt und gegen eine
Schlange kämpft, und sieht dann - wieder in dem schwarzen Land - einen zweiten
Flügel auf die gleiche Weise erscheinen, außerdem aber eine Fahne aus dem Osten
der Erde auf die Schlange losgehen. Vor diesen Gegnern kehrt die Schlange nach
Syrien zurück.
Anschließend berichtet der Engel Daniel von Raben, die sich über die Erde aus-
breiten und sich auf die Schlange stürzen. Diese flieht in den Westen Syriens und
weiter nach Ägypten. Dort stirbt sie. Daniel sieht, wie sich zwei ihrer Nachkommen
nach Westen und Norden wenden, ihren Verfolgern also entkommen können.
Bald darauf erscheint ein großer StieH mit einem langen Horn zwischen
den Augen, der sich der Erde bemächtigt. Er ruft die Raben, die ihm von überall her
antworten, und sammelt ein Heer. Er besitzt mehr Wissen und Weisheit als alle Ka-
lifen (!) vor ihm, aber er hindert die aufrechten Gläubigen an der Verehrung Gottes.
Weil die Christen viele Sünden begangen und seine Wohltaten vergessen haben, läßt
Gott diesen Herrscher am Ende seiner Regierung, unter der die Menschen bereits
vorher genug zu leiden hatten, überall Statthalter einsetzen, welche die Menschen
voller Härte und Ungerechtigkeit unterdrücken. Viele Menschen verleugnen des-
halb den Messias.
Daraufhin erfolgt wegen der Sünden der Menschen unter Tränen ein instän-
diges Gebet Daniels, in dem er die Güte und Gerechtigkeit Gottes anruft, sein Volk
von der Schlange aus der Wüste zu befreien. Sodann erscheint Daniel ein Engel, der
1 Paris arabe 150, fol. 14*-205 Die Hs. stammt aus dem fahre 1322 der Ära des Diokletian bzw. der
Märtyrer, d.h. 1605-1606 a. d., und ist ediert von MACLBR, L'apocalypse arabe, S. 293-305 (ed.)
und 274—292 (tr.). In der bisherigen Forschung fand sie nur wenig Beachtung.
2 Gemeint ist der 'abbäsidische Kalif al-Mansür.

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