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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0373

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Die Endkaiser-Weissagung im Judentum

Auf jüdischer Seite ist bereits im 3. Jahrhundert die Vorstellung nachweisbar, Roms
Macht werde mit der Rückgabe der Krone an Gott enden, und in der aus dem 2. Jahr-
hundert stammenden syrischen Baruch-Apokalypse, der ein hebräischer Original-
text zugrunde liegen dürfte, heißt es, der letzte römische Herrscher werde gebun-
den auf den Berg Zion geführt und dort durch den Messias getötet werdend Aus
diesem Grunde ist es kaum verwunderlich, daß die Gestalt des in Jerusalem ab dan-
kenden letzten römischen Kaisers auch in einer während des 7. Jahrhunderts ent-
standenen jüdischen Weissagung ihre Spuren hinterlassen hat. Deshalb bleibt aber
unklar, ob es sich dabei um eine bewußte Reaktion auf christliches Gedankengut
oder lediglich um das Fortleben älterer jüdischer Vorstellungen handelt.
Der Weissagung »Die Zeichen des Messias«^ zufolge soll nach verschiedenen
Zeichen am Himmel der als König von EdonV bezeichnete römische Herrscher auf
Jerusalem ziehen, so daß die Ismaeliten bis in den Jemen flöhen. Dort aber werde
sich ein großes Heer sammeln und unter der Führung eines gewissen Mansür nach
Bosrä vorrücken. Daraufhin nehme der König von Edom den Kampf auf, doch wür-
den durch Mansür viele Edomiter getötet und der König selbst zur Flucht gezwun-
gen. Nach Mansürs Tod werde er allerdings wieder in Jerusalem einziehen und im
Tempel die Krone vom Haupt nehmen, um sie mit den an den Herrn der Welt ge-
richteten Worten auf den Grundstein zu legen, er gebe zurück, was seine Vorfahren
genommen hätten. Danach werde ihn der Messias aus dem Hause Josefs töten und
sich seine Krone aufsetzen. Sodann soll der Auftritt von »Antichrist« und zweitem
Messias folgen, den die zwischen 629 und 636 entstandene jüdische Serubbabel-
Apokalypse^ sehr ähnlich beschreibt: der in seinem Glauben standhafte Messias
aus dem Hause Josefs werde von Armilus^, dem mit einem Stein gezeugten, die
Weltherrschaft erringenden Satanssohn, getötet und dieser schließlich wieder-
um von dem Messias aus dem Hause Davids, nämlich durch den Hauch seines
Atems.

1 Vgl. S. 50.
2 Von MARMORSTEIN, Les signes, S. 181-186, nach einem in Cambridge befindlichen Geniza-Frag-
ment ediert und übersetzt. Diese Version ist allen anderen Ausgaben vorzuziehen, vgl. KEDAR,
Arab Conquests, S. 7 Anm. 19.
3 Zur jüdischen Gleichsetzung von Edom und Rom vgl. HADAS-LEBEL, Jacob et Esau; ZEiTLiN,
Origin.
4 Vgl. STEMBERGER, Urteil der Juden, S. 138-140.
5 In der jüdischen Apokalyptik erscheint diese Gestalt erstmals in der Serubbabel-Apokalypse, wo
ihr Name mit »Zerstörer des Volkes« erklärt wird. Ohne Zweifel ist er von Romulus abgeleitet,
vgl. ebd., S. 140.

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