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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0180

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Der Ludus de Antichristo

Dgrhdiah
Eine besonders eigenwillige Behandlung erfährt die Endkaiser-Weissagung in einem
ohne Titel überlieferten Schauspiel über das Ende der Zeiten^ das gemeinhin reich-
lich verkürzt als Spiel über den Antichrist bezeichnet wird-. Es besteht aus zwei be-
wußt einander gegenübergestellten Teilen, deren erster die letztmalige Herstellung
der rechten Ordnung auf der Welt und deren zweiter den Triumph der widergött-
lichen Macht vor dem endgültigen Sieg des Christentums durch Gott zeigt.
Das Spiel beginnt damit, daß der (deutsche) Imperator RozizaziorzuzP die einstige
Macht des römischen Reiches zu erneuern versucht. Seine Gesandten fordern als
ersten den rex Fratzcorz.zz?z zu Huldigung und Waffendienst auf. Dieser lehnt es
zunächst ab, sein Tehnsmann zu werden, indem er selbst alte Ansprüche auf das
Kaisertum geltend macht, muß sich dann aber der Gewalt der Waffen beugen. Da-
gegen entsprechen der rex Gmcorzzzrz und der rox /orosohmoram ohne weiteres der
Forderung, dem Kaiser zu huldigen und der alten Tributpflicht nachzukommen.
Wie vorher der französische König, so empfangen auch sie ihr Königreich aus der
Hand des Kaisers zu Lehen. Damit ist die gesamte Christenheit dem römischen
Reich unterworfen. Der mx Babt/kuzzs sieht infolgedessen die alte Vielgötterei gefähr-
det und greift Jerusalem an, um das Christentum zu vernichten. Auf den Hilferuf
des Königs von Jerusalem hin nimmt der Kaiser als do/onsor occlosz'ao den Kampf ge-
gen den König von Babylon auf und schlägt ihn in die Flucht. Er erobert Jerusalem
also nicht von den Feinden des Christentums zurück, sondern befreit es von der Be-
drohung durch sie. Von der Bekehrung oder Vernichtung der Heiden und Juden ist
ebensowenig die Rede wie von Gog und Magog oder davon, daß mit dem Sieg des
Kaisers eine nahezu paradiesische Zeit des Friedens anbricht. Vielmehr zieht der
Kaiser sogleich zum Tempel und übergibt Gott das Kaisertum, indem er mit Krone
und Szepter seine Befehlsgewalt auf dem Altar niederlegt. Er stirbt aber nicht, son-
dern kehrt als mx TEgoforzzconnzd auf den Thron seines angestammten Königreichs
zurück, während die mit ihm nach Jerusalem gekommene Ecclgsz'a im Tempel bleibt.
Die Abdankung des letzten Kaisers ist also mit der Auflösung der Personalunion
1 Vgl. ed. W. MEYER, Ludus de Antichristo, S. 150-170; ed./tr. ÜANGOsen, Geistliche Spiele,
S. 179-239; zu der Ausgabe des Ludus de Antichristo, ed./tr. VoLLMANN-PROFE, vgl. die Rezen-
sionen von KAHL, MIÖG 91 (1983) S. 282 t.; LANGOSCH, Mittellateinisches Jahrbuch 19 (1984)
S. 295-297.
2 Vgl. dazu KAHL, Ludus de Antichristo, S. 101 f. Von den erhaltenen Antichrist-Spielen ist dieses
das einzige, in dem der Endkaiser vorkommt, vgl. JENSCHKE, Antichristspiele, S. 96.
3 Also nicht rex Romanoram wie im Constans-Vaticinium und bei Ps.-Methodios.
4 Zum Gebrauch dieser Bezeichnung vgl. die Aufstellung bei MÜLLER-MERTENS, Regnum Teuto-
nicum, S. 407 f.

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