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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0315

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Das Motiv des armen Endkaisers, die Rolle des Volkes
und die ersten Ansätze zur Überwindung der
Endkaiser-Weissagung

In der spätantiken griechischen Tiburtina werden zwei Könige erwähnt, die
(vorübergehend) alle Steuern abschaffen\ und in der mittelalterlichen lateinischen
finden sich neben Herrschern, welche die Armen hassen, die Unschuldigen unter-
drücken und die Schuldigen schützen^, auch solche, die ausdrücklich den Armen
Gerechtigkeit widerfahren lassend Im Constans-Vaticinium selbst jedoch heißt es
nur ganz allgemein, daß unter dem Endkaiser Reichtum und Überfluß herrschten^,
und bei Ps.-Methodios steht lediglich zu lesen, nach seinem Sieg über die Ismaeliten
werde der Endkaiser in einer Friedenszeit ohnegleichen Kirchen und Städte wieder
aufbauen und (nur) die Priester von Abgaben befreiend
Dagegen ist in jener christlich-arabischen Daniel-Apokalypse, die zu Beginn
des 9. Jahrhunderts verfaßt wurde, von einem dem (negativ gezeichneten) griechi-
schen Endkaiser direkt vorausgehenden Herrscher aus dem Westen die Rede, der
die Welt erobert und einen völligen Ausgleich zwischen den Armen und den Rei-
chen schafft, indem er nicht etwa die letzteren enteignet, sondern die Schätze der
(von ihm besiegten) Könige verteilt^. Ähnlich heißt es in einer byzantinischen Weis-
sagung, einer angeblichen Vision Daniels^, die wohl während der zweiten Hälfte
des 9. Jahrhunderts entstand^: Ohne schon der letzte Kaiser zu sein, breche am Ende
der Zeiten ein von den Menschen für tot gehaltener Herrscher im Bündnis mit den
blonden Völkern die Macht der Ismaeliten und sorge für eine Zeit des Friedens, wie
sie die Geschichte niemals zuvor gekannt habe. Während seiner 32 Jahre dauernden
Regierung würden die zerstörten Kirchen wieder aufgebaut und die früher Armen
nun zu Reichen werden.
Darüber hinaus findet sich sogar das Motiv eines ursprünglich selbst zu den Ar-
men gehörenden Kaisers. Es läßt sich zuerst in der byzantinischen Andreas-Salos-
Apokalypse^ nachweisen, die spätestens Mitte des 10. Jahrhunderts^, vielleicht aber
1 Vgl. ALEXANDER, Oracle, S. 20f. (ed.) und 28f. (tr.).
2 Vgl. ed. SACKUR, Texte, S. 184.
3 Vgl. ebd., S. 182 und 184.
4 Vgl. ebd., S. 185.
5 Vgl. Ps.-Methodios, Die syrische Apokalypse, tr. REININK, S. 66; DERS., Die Apokalypse,
ed. ABRTS und KoRTEKAAS, Bd. 1, S. 179; ed. SACKUR, Texte, S. 91.
6 Vgl. S. 122 und 126. Vielleicht allerdings ist die Gestalt des Herrschers aus dem Westen in dieser
Daniel-Apokalypse erst späterer Zusatz.
7 Vgl. ScHMOLDT, Daniel, S. 202-218 (ed.) und 203-219 (tr.), bes. 204 (ed.) und 205 (tr.); vgl. auch
die ältere Edition von VASiLiEV, Anecdota, S. 38-43.
8 Zur Datierung vgl. PERTUSi, Fine, S. 41 und 44 f.; ALEXANDER, Tradition, S. 77-87. Alexanders
Hypothesen sind allerdings gewagt.
9 Vgl. RYDEN, Andreas Salos Apokalypse, S. 201-214 (ed.) und 215-225 (tr.), bes. 202 (ed.) und
216 (tr.).
10 Vgl RYDEN, Date of the Life of Andreas Salos, S. 141,145,147,150 und 154 f.

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