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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0295

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Die Erwartung eines zweiten Kaiser Karl

Wie gesehen, wurde im Zusammenhang mit dem Engelpapst mehrfach und nicht
erst durch Telesphorus behauptet, daß der letzte Kaiser ein Franzose sein werde.
Diese Ansicht war aber keineswegs auf die Engelpapst-Weissagung beschränkt. Sie
ergab sich ohne Mühe aus Adsos Antichrist-Traktat, wonach der letzte Kaiser ein
König der Franken sein sollte, und läßt sich längst vor dem 14. Jahrhundert belegen.
Sie ist nicht etwa nur als Reaktion auf die Friedrich-Erwartung der Deutschen zu
betrachten.
In zwei der neun erhaltenen Versionen von Adsos Traktat findet sich auch das
Constans-Vaticiniuml, wobei in der als Vz'D Aizfz'cJzrz'sfz bezeichneten Fassung, die
wohl im 11. Jahrhundert noch vor dem ersten Kreuzzug entstand*^, der Name des
Constans mit C. abgekürzt isG, so daß C. für Carolus stehen und der letzte Kaiser als
ein wiederkehrender oder zweiter Karl der Große erscheinen konnte. Ganz ähnlich
sollen ja deutsche Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges geglaubt haben, Karl der
Große sei wiedererstanden, um ihre Führung ins Fleilige Land zu übernehmen^,
wohin er der Legende nach schon einmal gezogen waC.
Ebenso mochte das zu Beginn des Zweiten Kreuzzuges verfaßte Ludwig-
Vaticinium, in dem es heißt, das L des geweissagten Herrschers werde sich in ein C
verwandeln, als die Verheißung eines neuen Karl verstanden werden, obwohl mit
diesem Buchstaben ursprünglich nicht Carolus oder Constans, sondern der Perser-
könig Cyrus gemeint warh
Als ein neuer Karl erscheint auch jener rax/idMrMS zh GtzPz'a zzafzzs, von dem im
12. Jahrhundert Ps.-Turpin in seiner in fast alle europäischen Sprachen und dabei
gleich mehrfach ins Französische übersetzten'' Hz'sforzH Kzzroiz Mzzgzzz H Rofoionzfz
behauptet, er werde am Ende der Zeiten wie Karl der Große^ ganz Spanien dem
Christentum unterwerfen, nachdem die dortigen Sarazenen bereits auf die Kunde
von seiner Geburt hin die Flucht ergriffen hätten^.

1 Vgl. Adso, De ortu, ed. VERHELST, S. 125 und 135 f.
2 Vgl. ebd.,S. 105-110.
3 Vgl.ebd.,S. 125.
4 Vgl. Ekkehard von Aura, Chronica, Recensio I, ed./tr. SCHMALE und ScHMALE-Orr, S. 144f. (zum
Jahr 1099).
5 Vgl. S. 157.
6 Vgl. S. 170 f.
7 Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München 1995, col. 310 s.v. Pseudo-Turpin (Artikel von
P. BOURGAIN).
8 Vgl. Historia Karoli Magni et Rotolandi, cap. 3 und 11, ed. HÄMEL (und DE MANDACH), Pseudo-
Turpin, S. 45 und 54; Chronik von Karl dem Großen, ed./tr. H.-W. KLEIN, S. 42 und 60.
9 Vgl. Historia Karoli Magni et Rotolandi, cap. 4, ed. HÄMEL (und DE MANDACH), Pseudo-Turpin,
S. 46; Chronik von Karl dem Großen, ed./tr. H.-W. KLEIN, S. 44.

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