Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0221

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Hoffnung auf die Wiederkehr Friedrichs II. oder
einen dritten Friedrich als Kaiser der Reformen

TnAIn'tdt II. zw gwdzgz'fü'cfier SzcH uon Frgtzzid zzwd TgzwzJ
Wie sein Vorgänger Gregor IX. ließ auch Papst Innocenz IV. gegen Friedrich II. das
Kreuz predigen, doch bezeichnete er den Kaiser nicht mehr als den Antichrist selbst,
sondern lediglich als dessen Vorläufer. Für so manchen Gläubigen, der im Kampf
zwischen Kaisertum und Papsttum auf päpstlicher Seite stand, blieb Friedrich trotz-
dem der für das Ende der Zeiten geweissagte Antichrist selbst. Dies gilt zumin-
dest für einen Teil der Joachiten beziehungsweise jener Franziskaner, die den Vor-
stellungen Joachims von Fiore anhingenk
Einen ihrer Höhepunkte erreichte die gegen Friedrich II. gerichtete Polemik mit
der Schmähschrift IzzxH uafz'cz'wzMm Isgz'g^, die wohl im Auftrag des Kardinals Rainer
von Viterbo^ im Mai oder Juni 1245 verfaßt wurdek Darin erscheint Friedrich an
mehreren Stellen wie der Teufel oder der Antichrist selbst. Der Kampf zwischen
Papst und Kaiser wird mit dem Sieg des Erzengels Michael über den Drachen in der
Offenbarung des Johannes 12,7 verglichen. Außerdem wird Friedrich als das vierte
Untier in Daniel 7 hingestellt, und wie vom Antichrist heißt es von Friedrich, er sitze
im Tempel des Herrn, als wäre er GotU, und lasse sich von Bischöfen und Geist-
lichen die Füße küssen. Wie so häufig zu beobachten, wagt aber auch dieser Autor
es nicht, sich in Fragen der Endzeit festzulegen und den Antichrist eindeutig zu
identifizieren, denn zweimal bezeichnet er Friedrich als dessen bloßen Vorläufer*!
Ähnlich widersprüchlich ist die Gleichsetzung Friedrichs II. mit dem Anti-
christ in dem bedeutenden, unter dem Namen Joachims von Fiore verfaßten Jere-
mias-Kommentar, dessen in den Drucken'' überlieferte lange Version, die von einem
Franziskaner stammt, zwischen 1241 und 1249 entstand und dessen kürzere zwi-
schen 1215 und 1245, wobei die ursprüngliche Fassung vielleicht noch von Joachim
selbst, also vor 1202, geschrieben wurdet Im Gegensatz zu Joachims Werken zeich-
net sich die lange Version durch radikale Kritik an der Verweltlichung der Kirche

1 Vgl. S. 204 und 212.
2 Acta imperii, ed. WiNKELMANN, Bd. 2, Nr. 10371, S. 709-717.
3 Vgl. GRAEFE, Publizistik, S. 170.
4 Vgl. ebd.,S. 127und Ulf.
5 Vgl. 2 Thess. 2,4; Adso, De ortu, ed. VERHELST, S. 24.
6 Acta imperii, ed. WiNKELMANN, Bd. 2, Nr. 10371, S. 713 Zeile 32f. und 42.
7 Venedig 1516 und 1525, Köln 1577.
8 Zur äußerst schwierigen Frage nach den zisterziensisch-florensischen und den franziskanischen
Anteilen vgl. MoYNiHAN, Development; REEVES, Influence, S. 151-157; SiMONi, II »Super
Hieremiam«; ScHMOLiNSKY, Alexander Minorita, S. 68-75; TÖPFER, Reich des Friedens,
S. 109-115; WESSLBY, Joachim of Fiore, S. 101-135.

217
 
Annotationen