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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0170

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Die Endkaiser-Weissagung in der Zeit der
ersten Kreuzzüge

Sowohl in der bei der Benzo von Alba überlieferten SibyllG als auch in dem leicht
veränderten Constans-Vaticinium der Vha /bih'cHz'sff kommt dem Heiligen Grab
bezüglich der Jerusalemfahrt des Endkaisers besondere Bedeutung zu: Die Sibylle
läßt den Endkaiser nach Jerusalem ziehen, um die heiligen Stätten zu besuchen und
ein weiteres Mal gekrönt zu werden, und in der Vz'D /bhz'din'sh' ist das Zitat Jesaja
11,10: H crzY scpthcnnH cz'zzs giorz'oszzzrz soweit nach hinten gerückt, daß die Erfüllung
dieser Verheißung nicht mehr wie im Constans-Vaticinium der Tiburtina als Folge
der Bekehrung der Juden, sondern der Jerusalemfahrt des Endkaisers erscheint. In-
dem diese in beiden Fällen wie ein nach der Beherrschung Konstantinopels^ oder
der heidnischen Weih unternommener Zug zur Befreiung des Heiiigen Grabes
wirkh, ist die Kreuzzugsidee in zwei Versionen der Endkaiser-Weissagung vorge-
formtk Wenige Jahre nach dem Ersten Kreuzzug findet sich das Motiv der Krönung
statt der Abdankung des Endkaisers in Jerusalem auch in der Epz'sfoD MH/zozfz'z &
Azzfz'c/zrz'sfo. Das heilige Grab bleibt dort allerdings unerwähnt^.
Trotzdem war der Einfluß der Endkaiser-Weissagung auf die Teilnehmer des
Ersten Kreuzzuges wohl kaum von allzu großem Gewichh. Abgesehen davon, daß
das Werk des Benzo von Alba nur im Autograph erhalten ist und die Frage offen
bleibt, ob die darin überlieferte Weissagung auf anderem Wege größere Wirkung er-
zielte, spricht dafür vor allem der Umstand, daß sich am Ersten Kreuzzug weder ein
Kaiser noch ein französischer König beteiligte, der den Zeitgenossen als Endkaiser
hätte erscheinen können. Außer dem Grafen Emicho^ ist auch kein Kreuzfahrer be-
kannt, der sich mit der Aura des Endkaisers zu umgeben versuchte. Zwar wurde
Raimund von Toulouse angeblich die Herrschaft über Jerusalem, Alexandria und

1 Vgl. S. 158.
2 Vgl. Adso, De ortu, ed. VERHELST, S. 125, und oben S. 147.
3 Bei Benzo von Alba.
4 In der Vita Antichristi.
5 LiEBESCHÜTZ, Synagoge, S. 119, schreibt: )>Der herkömmliche Kampf mit dem Antichrist ist hier
durch die Befreiung Jerusalems ersetzt.« Davon kann keine Rede sein, denn der Endkaiser sollte
niemals den Kampf gegen den Antichrist aufnehmen.
6 Wie bereits von ERDMANN, Endkaiserglaube, S. 403-413, erkannt. Entgegen der Ansicht
von SCHEIN, Bewegungen, S. 126, kann aber nicht behauptet werden, »daß in den Versionen der
Endkaiserlegende aus dem 11. Jh. der Kampf zwischen Christentum und Islam immer beherr-
schender wurde«.
7 Vgl. Adso, De ortu, ed. VERHELST, S. 149, und oben S. 148.
8 Entgegen der Meinung von SCHEIN, Bewegungen, S. 126, ist keineswegs klar, daß der Erste
Kreuzzug von seinen Teilnehmern mit dem Zug des Endkaisers gleichgesetzt wurde. Ähnlich
äußert sich REEVES, Influence, S. 301.
9 Vgl. S. 165.

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