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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0273

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Die Weissagungen über engelgleiche Päpste

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts genügte es offensichtlich in der Regel
nicht mehr, in Weissagungen einen Friedenszustand voller Glück unter einem schon
bald herrschenden Kaiser zu verheißen, denn als nahezu unabdingbare Vorausset-
zung für ideale Verhältnisse wurde nun eine gründliche Reform der Kirche betrach-
tet. Wie das Beispiel des Johannes von Winterthur zeigP, begann dann im 14. Jahr-
hundert sogar die Forderung nach einer Umgestaltung der Gesellschaft laut zu
werden.
Als Gegenstück zu der Endkaiser-Weissagung entstand im 13. Jahrhundert die
Anfang des 14. Jahrhunderts voll ausgeprägte Vorstellung von einem engelgleichen
Papst am Ende der Zeiten, für dessen Pontifikat besonders die durch das Armuts-
ideal des Franziskus und Gedanken Joachims von Fiore geprägten franziskanischen
Spiritualen eine tiefgreifende Reform der Kirche, die Rückeroberung Jerusalems
und die Bekehrung aller Menschen zum Christentum erhofften.
Die Vorstellung von diesem pasfor anggü'cMS bildete sich zwar auf dem Höhe-
punkt päpstlicher Macht, sie war jedoch Ausdruck der im 13. und 14. Jahrhundert
wachsenden Unzufriedenheit mit der Amtsführung der Päpste, die häufig aus-
gezeichnete Juristen und Politiker, aber nur selten Männer von besonderer Religio-
sität waren- und die sich zwar alle mehr oder weniger intensiv um eine Reform der
Teilkirchen »an Haupt und Gliedern« bemühten, aber nicht etwa an eine bei sich
selbst, bei der Kurie, beginnende Reform der Gesamtkirche dachten^. In dieser Hin-
sicht besteht ein deutlicher Unterschied zur Entstehung der Endkaiser-Weissagung,
denn dort wurde der Gedanke an Reformen erst nach Jahrhunderten aufgegriffen,
nämlich im 14. Jahrhundert.
Bereits während des Investitur Streits versuchte Johannes von Mantua^, dem
Papst ein Kaisertum aus eschatologischen Gründen zuzusprechen, weil nur so die
Einheit der Kirche zu bewahren und der Antichrist abzuwehren sei. Als dann im
12. Jahrhundert beispielsweise Anselm von Havelberg, Honorius Augustodunensis
und Otto von Freising nicht das römische Reich, sondern - wie schon Tyconius - die
Kirche oder einzelne Orden als den Katechon, jene den Antichrist noch aufhaltende
Kraft, betrachteten^ und der Papst in der sogenannten Szzzizztza PanszUrszs ebenso wie

1 Vgl. S. 257 f.
2 Vgl. ÜAETHGEN, Engelpapst, S. 88; McGiNN, Pastor angelicus, S. 224 f. und 229.
3 Vgl. FRECH, Reform, S. 119-175, 203-206 und 209 f.
4 Vgl. Johannes von Mantua, In Cantica Canticorum I, ed. BiscHOFF und TAEGER, S. 64: Restat zyzYar,
Mt Wperatorem RowauMm accz'pMzrzMS papazw cahzoh'cMzw... Vgl. dazu den Kommentar, ebd., S. 11 f.,
und FUHRMANN, Der wahre Kaiser, S. 115 f. Anm.l.
5 Vgl. RAUH, Antichrist, S. 110,288,345,353 und 535 f.

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