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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0375

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Einflüsse der Endkaiser-Weissagung auf
islamische Vorstellungen?

Da auf islamischer Seite bereits der Koran von der Einschließung der Völker Gog
und Magog durch Alexander den Großen zu berichten weiß^ und auch ihren Aus-
bruch am Ende der Zeiten erwähnt^ waren dort durchaus günstige Voraussetzun-
gen für eine Beschäftigung mit der Schrift des Ps.-Methodios gegeben, zumal es in
Sure 30 heißt: »Die Byzantiner sind besiegt worden im nächstliegenden Gebiet. Aber
sie werden, nachdem sie besiegt worden sind, siegen, in etlichen Jahren ... An jenem
Tag werden die Gläubigen sich darüber freuen, daß Gott geholfen hat.. .«T
Offenbar spielen diese Verse auf einen Sieg der Perser über die Byzantiner an,
den sie Ende 614 nach der ihnen am 22. Mai gelungenen Einnahme Jerusalems im
Gebiet von Bosrä errungen hatten^. Demnach ergriff Muhammad noch vor seiner
Higra nach Medina (622) Partei für die Byzantiner. Als dann im Jahre 627 Kaiser
Herakleios tief in das Perserreich vorstoßen konnte, bewahrheitete sich Muham-
mads Voraussage. Sie wurde später von den Muslimen als ein besonderes Zeichen
seines Prophetentums gewertet^.
Wenn auch nicht durch die erst Jahrzehnte nach seinem Tod entstandene Weis-
sagung des Ps.-Methodios, so könnte Muhammad doch durch die Vorstellung der
Römer beziehungsweise Byzantiner von der Unbesiegbarkeit ihres Reiches beein-
flußt worden seirP, und zwar konkret vielleicht durch jene dem Perserkönig in den
Mund gelegte chaldäische Prophezeiung, die der zeitgenössische Geschichtsschrei-
ber Theophylaktos Simokattes überliefert". Wenn sie nicht als vaticinium ex eventu
zu betrachten ist, dürfte sie in den zehn Jahren vor dem entscheidenden, bei Ninive
über die Perser errungenen Sieg des Herakleios (627) entstanden sehA Ihr zufolge
soll der im Jahre 590 vor dem Usurpator Bahräm Cöbln nach Byzanz geflüchtete
Perserkönig Chosrau 11. im Gespräch mit dem byzantinischen Feldherrn Johannes
Mystakon geweissagt haben, daß das »babylonische Geschlecht« drei Jahrwochen
lang das Byzantinerreich beherrschen werde, bevor Byzanz in der fünften Jahr-
woche das Perserreich unterwerfen könne, worauf dann ein »Tag ohne Abend«, das

1 Vgl. Der Koran, Sure 18,92-98, tr. PARET, S. 211; dazu: PARET, Kommentar, S. 318 und 320.
2 Vgl. Der Koran, Sure 21, 96, tr. PARET, S. 230.
3 Ebd., Sure 30,2-5, tr. PARET, S. 282.
4 Vgl. GÖTZ, Hintergrund, S. 117.
5 Vgl. ebd., S. 113f. und 120; VON GRUNEBAUM, Der Islam, S. 87f.
6 GÖTZ, Hintergrund, S. 119 f., schenkt dieser Möglichkeit keine Aufmerksamkeit. Er sieht in Mu-
hammads Voraussage des byzantinischen Sieges lediglich eine »allgemeine Feststellung etwa in
dem Sinne, dass die Byzantiner (Christen) als Besitzer einer Offenbarungsschrift nach Ablauf
einiger Jahre wieder den Sieg über die Ungläubigen davontragen werden...«.
7 Vgl. Theophylaktos Simokattes, Historiae V 15, ed. DE BooR und WiRTH, S. 216 f., und auch oben
S. 54f.
8 Vgl. ALEXANDER, Historiens byzantins, S. 4f.

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