Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Baer, Casimir Hermann: Neue wohlfeile Wohnungskunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48360#0284

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
202

oooooooooooooooooooooooxxxx><x)ooooooooooooooto xvnhlfpilp Wnhniincrek linct
ooooooooooooootxxxjoooooooocicioooooooooooooooooo 11CUC WU1111U11U vv U1111 Uli ton U llo l

CXDOOOOOOOOOOOOOO0<x>00<xxxxx>j000c><x>000000000000

der jede vollständige Zimmereinrichtung mit Be-
leuchtungskörpern, Teppichen, Gardinen und Ta-
peten für 1000 M. verkauft werden kann.
Jedoch die handwerklich einwandfreie Herstel-
lung der Möbel vermag allein noch nicht ein wirk-
lich befriedigendes Resultat zu garantieren. Der
künstlerische Mitarbeiter, der für die vorhandenen
Arbeitskräfte passende Formgedanken liefert, ist
von mindestens gleicher Bedeutung. Und je genauer
er mit den Fabrikationsmöglichkeiten vertraut ist,
je intensiver Unternehmer, Künstler und Arbeiter
geistig miteinander zu schaffen vermögen, desto
erfreulicher und kunstvoller, desto harmonischer
wird das Fabrikat werden. Die Werkstätten von
Erwin Behr haben in dem Architekten Emil Bercher,
Stuttgart einen Mitarbeiter gefunden, der ihre weit-
sichtigen Planungen verstanden und Entwürfe ge-
liefert hat, die auch geschmacklich alle Beachtung
verdienen.
Wir leben ja zurzeit in einer allgemeinen Ge-
schmacks-Unsicherheit. Die reine Form, wie sie
sich glatt und einfach allein aus der Konstruktion
ergibt, konnte auf die Dauer nicht befriedigen. Nach
der Furcht vor dem Ornament, nach den Versuchen
durch Rückkehr zur Natur oder durch abstrakte
Linien und Formen eine neue zeitgemäße Orna-
mentik zu schaffen, ist jetzt wieder das Bedürfnis
nach reicherem Schmuck lebendig geworden und
die Vorliebe für die so reizvollen, stets individuellen
und doch nur selten bizarren Möbelformen ver-
gangener Zeiten aufs neue erwacht. Zugleich aber
erkannte man mehr und mehr, daß auch der Schmuck
nur dann erfolgreich sei, wenn er sparsam be-
nutzt durch Qualität sich auszeichnet und sich
Technik wie Konstruktion bewußt einfügt. So kam
man zu einer neuzeitlichen Verwendung über-
lieferter Formen, zu einem Anknüpfen an alte
Traditionen, bei dem Stilfragen völlig zurücktraten
und nur rein ästhetische und praktische Erwägungen
Berücksichtigung fanden. Derlei Schöpfungen wird
häufig der Vorwurf von Imitationen gemacht; das
ist aber nur dann berechtigt, wenn es sich um rein
mechanische Kopien handelt. Benutzt der ent-
werfende Künstler die formalen und ornamentalen
Ergebnisse jahrhundertelanger Arbeit zu selbstän-
digen Neuschöpfungen, kann von Reproduktionen

nicht mehr gesprochen werden. Auch in früheren
Zeiten wurde niemals plötzlich durchaus Neues
geschaffen; nur langsam durch ein allmähliches
Anpassen der alten Formenwelt an die neuen Be-
dürfnisse kam man zu den uns heute, wo wir all
die Zwischenstufen der Entwicklung nicht mehr
kennen, so überraschenden Ergebnissen.
Emil Bercher hat zwei Gruppen von Räumen
geschaffen, vier reicher ausgestattete Zimmer, die
allen Bedürfnissen eines wohlhabenden Haushalts
zu entsprechen vermögen, und zwei einfachere
Räume, die mit einem Schlafzimmer zusammen den
Lebensbedingungen des bürgerlichen Mittelstandes
trefflich Genüge leisten. Ueber die einzelnen Möbel,
ihre Gestaltung und Ausschmückung, über die
Farbenwahl der Wandbespannungen und Bezüge,
über alle sonstigen Details, wie über Konstruk-
tion und Ausführung sagen die Abbildungen mit
ihren Unterschriften das Nötige. Hier sei nur noch
kurz auf die Preise verwiesen, die als wichtige
wirtschaftliche Faktoren nicht unbeachtet bleiben
dürfen. DieEinrichtungdesSpeisezimmers in Kirsch-
baum z. B., die aus einem Büfett, einer Kredenze,
dem ovalen Auszugtisch mit sechs Einlagen, aus
sechs Stühlen, zwei Sesseln und einem kleinen
Teetisch besteht, wird für 2170 M. verkauft; und
das Wohn- und Speisezimmer in Eiche, das ein
Büfett, eine Kredenze, einen Auszugtisch mit einer
Einlage, vier Stühle, zwei Sessel, ein Sofa, eine
Kommode und einen Spiegel enthält, kostet nur
1170 M. Das sind Preise, die bisher bei gleicher
Material- und Arbeitsgüte wohl nicht möglich
waren, die aber nur durch die bis in alle Einzel-
heiten überlegte und konsequent durchgeführte
Befolgung der oben geschilderten künstlerischen,
kaufmännischen und wirtschaftlichen Grundsätze
erreicht werden konnten.
Die Ausstellung der von Emil Bercher ent-
worfenen und von der Möbelfabrik Erwin Behr in
Wendlingen-Unterboihingen hergestellten Einrich-
tungen war eine glückliche Einführung neuer Er-
zeugnisse und als solche von mehr persönlicher,
begrenzter Wichtigkeit; sie war aber auch der wohl-
gelungene Beweis für die Richtigkeit aller bei der
Neugründung verwerteten Prinzipien, der allge-
meinstes Interesse für sich in Anspruch nehmen darf.
C. H. BAER
 
Annotationen