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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 11
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Baer, Casimir Hermann: Architekt Ludwig Ruff
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https://doi.org/10.11588/diglit.48360#0737

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ARCHITEKT LUDWIG RUFF.

Ludwig Ruff, Professor an der Kunstschule zu Nürn-
berg, dessen vielseitige bauliche Tätigkeit hier
in beschränkter Auswahl vorgeführt wird, gehört
zu den Architekten, die vor allem deutsch sind;
deutsch und bodenständig in der formalen Aus-
gestaltung der Baugedanken, deutsch auch durch
kraftvolle, treuherzige Frische und jene gemüt-
volle Innerlichkeit, die selbst heute noch mächtig
zur deutschen Volksseele zu sprechen vermag.
Man darf Ruff allerdings nicht zu den alles
niederreißenden Stürmern zählen, auch nicht zu
den Führern nach neuen Zielen auf schmalen, nur
schwer gangbaren Wegen, oder zu den Phänomenen,
deren außerordentliche Kräfte aus sonst verborgenen
Quellen gespeist zu werden scheinen. Dennoch
herrscht nach dem Durchblättern der folgenden
Seiten wohl kein Zweifel darüber: Ruffs Kunst ist
gut, wenn sie sich auch auf etwas schon Vorhan-
denem aufbaut. Das rezeptive Verständnis des
Künstlers dient ihm zur sicheren Grundlage seiner
Werke, die alle weder gewollt noch gekünstelt,
sondern erlebt und empfunden sind. Nichts liegt ihm
ferner als absichtlich malerisch und interessant
zu gestalten. Aber die Liebe, mit der er sich in
alle Einzelheiten vertieft und die bewundernswerte
Sicherheit, mit der er verborgene Schönheiten aus
Bauplatz und Bauprogramm herauszuholen und mit
instinktivem Formen- und Farben-Geschmack zur
Schöpfung neuer harmonischer Baugebilde zu ver-
werten weiß, üben auf jeden einen nachhaltigen
Einfluß aus. Der Gedanke, Kunstwerken gegenüber
zu stehen, tritt völlig zurück vor dem wohligen Ge-
fühl behaglichen Gefallens, das man so manchmal er-
hält, wenn man etwas Liebes und Schönes begegnet,
das Auge und Empfinden gleich freundlich anspricht.
Eine Hauptaufgabe des Baukünstlers, das Schaffen
einwandfreier und billiger Wohnungen für Mittel-
stand und Arbeiter, hat auch Professor Ruff vielfach
beschäftigt und beidesmal erfand er, durch das Zu-
sammenfassen einer Anzahl von Einzelwohnungen
zu größeren Baugruppen, neue Möglichkeiten zur
Steigerung der formalen Ausgestaltung und Ver-
ringerung der Herstellungskosten. Wie ihm die
Lösung dieser Probleme gelang, war bahnbrechend
und ist durchaus vorbildlich. Die Einfamilienhaus-
gruppen an der Hohenlohe- und Caprivistraße, die
er im Auftrage der verdienstvollen Nürnberger „Bau-
gesellschaft Haus und Garten“ im Laufe der letzten

Jahre errichtet hat, entsprechen mit ihren wohl
durchstudierten Grundrissen, ihrem heimeligen
Aufbau, ihren reizvollen Gartenhöfen wie ihrer
trauten Wohnlichkeit in Dielen und Stuben allen
neuzeitlichen Wohnbedürfnissen des bürgerlichen
Mittelstandes. Und die Kleinwohnungsanlagen
zu Gibitzenhof und am Thummenbergerweg,
Schöpfungen der Nürnberger „Baugesellschaft für
Kleinwohnungen“, haben zum erstenmal überzeu-
gend dargetan, daß auf städtischem, nach intensiverer
Ausnützung verlangendem Boden, die Vereinigung
einer großen Anzahl von Arbeiterwohnungen in
umfangreichen,mehrstöckigen Gebäuden hygienisch
und sittlich durchaus einwandfrei sein kann, wenn
die letzten Möglichkeiten des Bauauftrags wie
des Baugeländes erkannt und bei der Planung mit
Sorgfalt und Geschick verwertet werden. Auch
diesen gewaltigen Gebäudegruppen, von denen
der Gibitzenhof z. B. 350 Drei- und Zweizimmer-
wohnungen jeweils mit Wohnküche enthält, geben
tausenderlei anmutige Details, ein melodischer
Linienfluß und tonige Farben jene anmutige deut-
sche Traulichkeit, die gerade städtischen Arbeiter-
wohnungen nur zu häufig fehlt.
Ueber all den gedankenvollen und gemütlichen
Einzelheiten, die Ludwig Ruff in seinen Bauten
anhäuft, vergißt er aber niemals das Endziel aller
Kunst, die formale Schönheit der Gesamterschei-
nung. Alles Detail ordnet sich bescheiden dem
Hauptgedanken unter; große ruhige Silhouetten, der
Zusammenschluß aller Einzelbauten zu abgeklärter
Wirkung sind stets angestrebt und mehr und mehr
erreicht worden. Kleines und Kleinstes, liebevoll
gestaltet, zwingt Ruff zu engem Zusammenschluß
und baut so harmonische Kunstwerke auf, die sich
echt und unverfälscht der Umgebung einfügen und
wie selbstverständlich ihren Zwecken dienen. Die
mannigfaltigen Entwürfe, die Ruff für Kirchen und
Schulen, Warenhäuser und Krankenhäuser geschaf-
fen hat, bestätigen das und lassen erkennen, was
man von ihm erwarten darf, wenn seinem großen
und gewissenhaften Können monumentale Auf-
gaben gestellt werden. Der Befähigungsnachweis
ist überzeugend erbracht. Professor Ruff kennt
kein Suchen und Tasten. Er wird mit schöpferischer
Sicherheit auch für die schwerste Aufgabe eine
künstlerisch abgeklärte, praktisch einwandfreie
Lösung zu finden wissen. Des bin ich sicher.
C. H. BAER

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