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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 10
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Bloesch, Hans: Der Peterhof zu Zürich
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https://doi.org/10.11588/diglit.48360#0667

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DER PETERHOF ZU ZURICH
Von Dr. HANS BLOESCH, Bern

An der Bahnhofstraße in Zürich, die vor bald 50 Jahren
dem damaligen Ideal entsprechend als Straße von durch-
aus großstädtischem Charakter angelegt wurde, beginnt die
moderne, neuen Ideen entspringende Baukunst sich bemerk-
bar zu machen und zwar in einer Weise, daß die großzügige
Verkehrsader wiederum das Interesse auf sich lenkt, das man
ihr in den letzten Jahren entziehen wollte. Vor allem sind
es zwei Monumentalbauten, das Lebensmittelgebäude und der
Peterhof, die den Besucher Zürichs in die Bahnhofstraße
locken; denn beide Gebäude führen die alte künstlerische
Tradition Zürichs in vorbildlicher Weise weiter.
In der Nähe der Peterskirche, gegenüber dem Paradeplatz,
hat sich die Genossenschaft „Peterhof“ durch die Architekten
Gebrüder Pfister in Zürich ein neues Geschäftshaus errichten
lassen, das dem bedeutendsten Vertreter der in Zürich von alters-
her blühenden Seidenindustrie der altbekannten Firma Grieder
ein entsprechendes Heim bieten sollte. Dieser Peterhof. wie
er jetzt in schmucker Vollendung dasteht, bildet schon heute
— es ist ein die Front im selben Stil weiterführender Anbau
geplant, den eine Züricher Bankfirma erstellen läßt und der
mit dem bereits vollendeten Hause einen einheitlichen geschlos-
senen Komplex bilden wird — eine der vornehmsten bau-
lichen Zierden der Stadt Zürich. Ein Bau, der in jeder Hinsicht
Beachtung verdient und ungeteilte Bewunderung findet.
Die Architekten lehnten sich bei der Behandlung der
Fassade an die von Messel eingeführte, für große Geschäfts-
häuser ganz besonders sich eignende moderne Gotik an, die
mit ihren schlanken aufstrebenden Formen einer auflichtenden
geschlossenen und doch reich gegliederten Fensterflucht
äußerst günstig ist. Elegante Säulenbündel gliedern die Fas-
sade über den Bogen des Erdgeschosses. Sie sind in ganzer
Höhe des Gebäudes durchgeführt und geben durch ihre stark
betonten Vertikalen der Fassade ihren Charakter. Eine zwischen
dem zweiten und dritten Geschoß durchgezogene Horizontale
nimmt ihnen die gotische Ueberschlankheit und gibt auch
der dekorativen Ausgestaltung, die die Säulen im dritten
Stock erfahren, eine natürliche Folgerichtigkeit. Ein prächtig
durchgeführter, frei mit alten Formen schaltender Treppen-
giebel krönt die Südfassade, die nach dem freien Platze
schaut. Mit dekorativem Schmuck sind die Architekten spar-
sam umgegangen und da, wo sie ihm seinen Platz an-
wiesen, im dritten Geschoß und am Haupteingang nach der
Bahnhofstraße hin, da hat er auch durchaus architektonische
Bedeutung. Nirgends ersetzt der bildnerische Schmuck den
Mangel an baukünstlerischer Durchbildung, alles ist bis ins
letzte rein architektonisch gelöst. Das ist ein Hauptvorzug des
Hauses und darauf beruht auch bewußt oder unbewußt der
harmonische, fast selbstverständliche Eindruck des Bauwerks,

das zwischen malerischer Ueberladung und der jetzt gerade
in Deutschland oft angestrebten Nüchternheit die erfreuliche
Mitte hält. Der ganze Bau ist in einem grobkörnigen, gelb-
lichen Muschelkalk ausgeführt, der ebenso vornehm wie
gediegen wirkt.
Dem Aeußeren mit seiner ruhigen, in keiner Weise auf-
dringlichen und doch eindrucksvollen Vornehmheit entspricht
das Innere. Auch hier konnten die Architekten überall mit
dem besten und ausgesuchtesten Material ihren künstlerischen
Absichten Ausdruck geben. In der Raumgestaltung mußten
sie sich dem gegebenen Platz anpassen ; sie erreichten die
überaus vorteilhafte Raumausnutzung durch die Anlage eines
zentralen Lichthofes, den sie zu einer prachtvollen Treppenhalle
in leicht orientalischem Charakter ausgestalteten. Diese Halle
ist ein wahres Schmuckstück, das jedem öffentlichen Gebäude
zur Zierde gereichen würde. Zu der architektonischen Durch-
führung, von der die Bilder einige Vorstellung geben können,
kommt aber noch eine geradezu raffinierte farbige Wir-
kung, die den Eindruck der ganzen Anlage erheblich ver-
stärkt. Einfallendes blaues und gelbes Licht bringt außer-
ordentliche Belebung in die weißen Mauerllächen. Bei jedem
Wechsel des Standortes überrascht ein neues Bild, und
das Leben, das das Licht in die graziösen Formen zaubert,
teilt sich auch dem Wasser mit, das in einen hübschen
Mauerbrunnen fällt.
Alle Stockwerke haben zu Bureauzwecken Verwendung
gefunden; im ersten Stock sind die Bureaulokalitäten und
im Erdgeschoß die Verkaufsräume des Seidenhauses Grieder
untergebracht. Auch hier hat überall der Künstlerwille der
Architekten geschaltet, und so weisen sogar die Verkaufs-
räume eine vornehme Einheitlichkeit auf, die selbst durch
die vielen zufälligen Willkürlichkeiten nicht ganz verwischt
werden kann. Ein ruhiges neutrales Grau läßt alle die farbige
Seidenpracht voll zur Geltung kommen. Hell, übersichtlich
und zweckmäßig ist die ganze Anlage und entspricht so am
vollkommensten ihrem Zweck. Eine reizvolle Wirkung erziel-
ten die Architekten, dadurch, daß sie das Untergeschoß unter
der achteckigen Treppenhalle zu einem mit den Verkaufs-
lokalitäten verbundenen Ausstellungsraum ausbauten, in dem
bei vorteilhaftestem Licht in entzückender Umgebung die
Neuheiten am lebenden Modell gezeigt werden können.
So ist Zürich um ein Geschäftshaus reicher geworden,
das nicht nur von der Bedeutung der Großstadt, sondern vor
allem auch von einem außerordentlichen künstlerischen
Geschmack beredtes Zeugnis ablegt; man darf sich auf die
Vollendung des anstoßenden entsprechenden Baues freuen,
durch den der Eindruck einer einheitlichen geschlossenen
Gruppe erst ganz zur Geltung kommen wird.

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