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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 11
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Wagenführ, Max: Die Innenausstattung des Geschäftshauses Maassen in Berlin, Leipzigstrasse: von Architekt Dr. O. Schulze-Kolbitz, Berlin
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569

DIE INNENAUSSTATTUNG DES GESCHÄFTSHAUSES
MAASSEN IN BERLIN, LEIPZIGERSTRASSE
von Architekt Dr. O. SCHULZE-KOLBITZ, Berlin

Die Großstadt hat das Warenhaus geschaffen,
das die Vielheit der Ladengeschäfte in einen
grandiosen Gebäudetyp zusammenfaßte. Ängstliche
Gemüter sahen einen Verfall unseres gesamten
Warenhandels durch die Aufsaugung der mittleren
und kleinen Verkaufsgeschäfte voraus. Die neuere
Entwicklung lehrt die Wege, diese Drohung zu ver-
meiden: dem konzentrierenden Warenhaus tritt der
Ausbau der Spezialgeschäfte gegenüber. Das Kapi-
tal erkennt, daß eine Unterstützung des Spezial-
handels eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit
wird und sieht in der Modernisierung der Einzel-
geschäfte eine neue Gewinnchance.
So entstehen in den Zentren der Großstädte
immer mehr Kaufhäuser, die in der äußeren Form
dem Warenhaustyp folgen, von ihm die aufgeteilten
Wände, die breiten Lichtöffnungen, den ganzen
Komfort neuzeitlicher Technik übernehmen, im
Innern aber einheitlicher, übersichtlicherund intimer
gegliedert werden können, da sie nur gleichartige
Verkaufsgegenstände anbieten. Künstlerisch ergeben
sich hier neue Möglichkeiten, der Inhalt kann präzi-
ser zum architektonischen Ausdruck gebracht wer-
den, ein gleiches Motiv faßt das Ganze zusammen.
Das Damenkonfektionshaus Maassen in der
Leipzigerstraße, dem die Architekten Georg A. Rathe-
nau und Fr. Aug. Hartmann eine schlichte, ausdrucks-
volle äußere Form gaben, ist im Innern von dem
feinsinnigen Architekten Dr. Schulze-Kolbitz auf
ein Thema aufgebaut worden, das den Ton des
Damenboudoirs in allen Variationen moduliert.
Große freie Räume sind, weil unnötig, nicht
vorhanden, die ungeteilten Geschosse werden durch
die Verkaufsstände gegliedert, die künstlerische
Wirkung mußte also vorwiegend auf die liebevolle
Ausarbeitung des Details ausgehen. Wo sich eine
Gelegenheit bot, geschlossenere Raumwirkungen zu
erzielen, ist sie mit um so stärkerer Konzentration
ausgenutzt worden. So ergab sich zunächst im
Erdgeschoß eine Lichtecke, die, wie unsere Tafel
zeigt, eine kunstvolle und reizende Lösung fand.
Hier waren allerlei Winkel und Ecken, Heizkörper
und Treppen zu verbergen und zu wirkungsvollen
Linien zusammenzuholen. Wie gut das gelang, zeigt
das Bild. Ein zweiter größerer Raum wurde im dritten
Stock geschaffen; er dient als Warte- undErfrischungs-
raum und betont den Charakter des Hauses im
intimen Detail wie in der Gesamthaltung ebenso
eindringlich wie überall, im Gegensatz zu den üb-
lichen Erfrischungsräumen großer Warenhäuser.

Daß ferner alle Gebäudeecken und sich ergebenden
freieren Plätze, die Gänge und Durchblicke nach
künstlerischenErwägungen durchgebildet und schöne
ästhetische Raumwirkungen erzielt wurden, erhellt
aus den mannigfachen Darstellungen.
Am Eingang, an den Fenstern, Türen, den Heiz-
körpern, kurz überall, wo Metall Verwendung fand,
sind zierliche Formen und diskrete Tönungen ge-
sucht. Das Material der Schränke, die statt der
üblichen unruhigen Kleiderständer gewählt wurden,
um ruhige architektonische Wirkungen zu erreichen,
wechselt in den Stockwerken. Im Erdgeschoß haben
wirweißlackiertes,geschliffenes Holzmit aufgelegten
Blumen-Schnitzereien, im ersten Stock dunkle eng-
lische Läden aus graubraungebeiztem Eichenholz,
das von schwarzen Birnbaumstäben gegliedert und
durch flache Schnitzereien belebt wird, dazu mit grün-
schwarz gemustertem Kretonne bespannte Wand-
und Pfostenpaneele. Das zweite Stockwerk zeigt
mattgraugelbes, poliertesBirnbaumholz mitunter der
Politur gemalten farbigen Blumensträußen. Das dritte
Stockwerk, das für die Maß- und französische Abtei-
lung bestimmt ist, wirkt am prächtigsten; schildplatt-
ähnliches, reichgeflammtes, breitfourniertes Birken-
holz wird durch schwarze Schnitzereien gehoben,
dunkle Stäbe und Profile gliedern die Flächen.
In diese Grundnoten fügen sich nun in allen
Geschossen die Sitzmöbel, Bänke, Tische, Wand-
brunnen, Fenstervorhänge, Beleuchtungskörper und
alle sonstigen Einzelheiten in schön gegliederten
Formen und wohlabgewogenen Farben zur klang-
vollen Einheit. Überall wird man durch ausgesuchte
Feinheit des Details gefesselt. Besonders fällt eine
famose Verwendung des Veltener glasierten Tones
auf. Dieses billige bodenständige Material gibt aller-
lei interessante Wirkungen her, die sich von der
Maschinenglätte öder Ofenkacheln vorteilhaft unter-
scheiden und sollte viel eifriger verwandt werden.
Daß das Haus auch in den nicht wiederge-
gebenen Räumen und Stockwerken auf der Höhe
moderner Gestaltung steht, braucht nicht besonders
betont zu werden. Die Bureauräume, das Kasino
für die Angestellten mit seinem blumengeschmück-
ten Dachgarten, die Nebenräume sind durchweg mit
sozialem Verständnis, gediegen, wenn auch schlicht,
und mit reichlichem Licht und Luftraum ausgebil-
det, so daß das Ganze als ein geschlossenes, einheit-
liches Werk und als Beispiel einer guten Lösung
einer neuen modernen Bauaufgabe gelten kann.
BERLIN. MAX WAGENFÜHR
 
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