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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 5
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Behrendt, Walter Curt: Das Warenhaus A. Wertheim an der Königsstrasse in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.48360#0315

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DAS WARENHAUS A. WERTHEIM AN DER
KÖNIGSTRASSE IN BERLIN

Für den Grundriß des modernen Warenhauses hat
AlfredMessel mit dem Plan des Wertheimhauses
in der Leipzigerstraße die typenbildende Lösung ge-
funden. Alle späteren Projekte sind mehr oder
weniger abhängig von jenem System, das mit einem
Gerüst schlank dimensionierter vertikaler Stützen
ein Minimum von tragenden und trennenden Mau-
ern und ein Maximum von Lichtquellen zu schaffen
sucht. Es gruppieren sich diese weitgespannten, als
Verkaufsräume dienenden Hallen gewöhnlich um
einen zentralen Lichthof, der als Hauptraum für
wechselnde Ausstellungen eine wichtige Forde-
rung des Bauprogramms zu erfüllen hat. Der Licht-
hof sammelt zugleich, wie in einem Brennpunkt, den
fluktuierenden Verkehr des Hauses und von ihm
zweigt daher in der Regel auch die repräsentative
Haupttreppe ab.
Diese Normalform des Warenhausgrundrisses ist
auch für das neue Haus der Firma A. Wertheim
beibehalten worden, das an der Königstraße, auf dem
Gelände der nach dem Botanischen Garten ver-
setzten Königskolonnaden, errichtet wurde. Der
Neubau ist nach den Plänen der Geheimen Bauräte
Kayser und von Großheim und Architekt Ernst
Rentsch ausgeführt worden. Im besonderen lag
die künstlerische Leitung des Baues in den
Händen des Architekten Rentsch. Dem Archi-
tekten war bei der Planbearbeitung in diesem
Falle nicht das gleiche Maß von künstlerischer
Freiheit gewährleistet, wie es Messel bei einem
früheren Auftrag des Bauherrn genießen durfte.
Zu wesentlicher Beschränkung mußte bei diesem
Neubau die Forderung führen, daß das Haus ge-
gebenenfalls ohne erhebliche Umbaukosten auch
andern Zwecken nutzbar gemacht werden kann. Es
mußte daher für die Fassade eine größere Ge-
schlossenheit in der Bildung der Fensterachsen an-
gestrebt werden, eine Variation des von Messel
durchgeführten Systems, die im übrigen mit den
Postulaten der Praxis in keiner Weise kollidiert.
Im Gegenteil, es hat sich bei der inneren Einrichtung
der Warenhäuser stets wieder gezeigt, daß in der
Regel eine Verstellung der Fensterflächen durch

Schränke, Regale usw. erforderlich ist, ein Umstand,
der sofern er konsequent berücksichtigt würde, den
Ersatz der Fenster durch Wandflächen wenigstens
in der Höhe der Einbauten zur Folge haben müßte.
Es ist keine Frage, daß für die architektonische
Ausbildung der Geschäftshausfassade mit diesem
aus dem Gebrauchszweck gezogenen Motiv ein
wesentliches Moment zu weiterer Entwicklung
gegeben ist, und nur die einschränkenden Wünsche
des Bauherrn haben in diesem Falle die künstle-
rische Durchführung dieses Baugedankens noch ver-
hindert. Es ist zwischen senkrecht aufsteigenden
Pfeilern ein schlichtes, dreifach geteiltes Fenster-
system einheitlich über den ganzen Bau durchge-
führt worden und im übrigen durch eine geschickte
Gruppierung der Baumassen, wie die hier gegebene
Abbildung zeigt, eine monumental repräsentierende
Wirkung angestrebt worden. Die günstige Lage der
Nebentreppen regte zur Ausbildung besonderer
Treppentürme an, ein Motiv, das in dieser Anwen-
dung eine glückliche Bereicherung der Tiefenvor-
stellung zur Folge hat durch eine Reihe wirkungs-
voller Überschneidungen, die sich daraus im Ge-
samtbild ergeben.
In der architektonischen Durchbildung und in
der Detaillierung, namentlich auch in der Aus-
stattung der Innenräume zeigt sich die geschickte
Hand des erfahrenen Praktikers. In der Architektur
des Lichthofs ist, was die Gliederung und Profilie-
rung betrifft, besondereZurückhaltung geübt worden.
Der Raum ist ganz auf die Wirkung glücklicher
Proportionen gestellt; laute dekorative Effekte sind
mit Rücksicht auf die Bestimmung des Lichthofs
als Ausstellungsraum vermieden worden (ein Grund-
satz, den der Bildhauer der in Bronze getriebenen
Brüstungen, Franz Naager, leider nicht bedingungs-
los anzuerkennen wagte). Die Wände und Pfeiler
sind bis zum dritten Geschoß mit rotem vene-
zianischem Marmor inkrustiert, an einigen Punkten
sind dekorative Skulpturen nach Modellen des Bild-
hauers R. Guhr eingelassen.
Die breiten Verkaufsräume sind im allgemeinen
ganz einfach gehalten und ohne besonderen Auf-

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