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Enlstehung eines großartigen „Hotel Zion", wo einige alte
Herren Pharisäer jeden Abend ihr Schöppchen trinken und sich
die angekoinmenen Fremden mustern könnten. Der ehemalige
Thurm Davids würde wohl zu einer Gasfabrik eingerichtet wer-
den, da von dieser Stelle aus das Gas am leichtesten durch die
ganze Stadt, bis vor's Herodesthor und zum Haus des Pilatus
vertrieben werden könnte. Auch dürften um die gauze Stadt
herum bald freundliche Glacis entstehen, mit englischen Anlagcn,
die sich bis zum schöneu Flecken Bethania erstrecken, wo vielleicht
ein unternehmender Deutscher oder Schweizer eiu elegantes Cafe
errichtet. Daß danu auch Droschken, Fiaker, Lohndiener u. s. w.
nicht lange auf sich warteu lassen, versteht sich von selbst. Die
heiligen Orte verwandeln sichin „Sehenswürdigkeiten",
die Pilger in Fremde, statt Hut, Stab und Kürbisflasche sieht
man Plaids, Regenschirme, roth eingebundene Bücher und Reise-
Perspektive. Wie viel Stoff bietet die heilige Stadt sür einen
neuen Bädeker! Wie oft kann der Mann seine empfehlenden
Sternchen anbringen. Das „**heilige Grab" — zwei Stern-
chen, ja nicht zu versäumen; *Moriah, mit Tempelruinen, jetzt
Moschee Omars, Fremden nur gegen Bastonnade zugänglich;
*Teich Bethesda, ehemaliges Mineralbad, dem sich vielleicht durch
einen kleinen Spieltisch wieder aufhelfen ließe u. s. w. Ueber-
haupt muß auch sür Unterhaltung gesorgt werden; in der Stadt
abwechselnd Bälle bei Kaiphas und Annas und jeden Donnerstag
und Sonntag Musik L 1u Gungl im Garten Gethsemane —
welch' herrliche Versöhnung der biblischen Geschichte mit der mo-
dernen Civilisation!
Und das ist der Segen der Eisenbahn, daß sie stets neue
Bahnen muß gebären! Kaum wird die Strecke Jaffa-Jerusalem
durch eine feierliche Eröffnungsfahrt eingeweiht sein, so werden
sich auch schon Deputationen aus Samaria und Galilaea ein-
finden, mit der Bitte, diese anmuthigen und sruchtbaren Pro-
vinzen in den allgemeineu Verkehr zu ziehen und wenigstens die
Concession zu Projektirungsarbeiten zu ertheilen. Die Weiter-
führung der Bahn nach Norden ist auch unzweiselhast. Wenn
jedoch die Allg. Ztg. unlängst einen Tunnel durch den Oelberg
prophezeite, so ist das wohl nur schlechter Witz, denn warum
sollte man, abgesehen vom Kostenpunkt, nach dem todten Meere
zu baueu, wenn man an den See Genezareth will? Nein, die
Zweigbahn läuft gleich vom Jaffathor nördlich dem Thale Josa-
phat zu, das nach Pauli'schem System überbrückt werden muß.
Wenn sich die Menschheit am jüngsten Tage dort versammelt,
kann gleich der Viadukt als Gränze von Links und Rechts, als
Enlstehung eines großartigen „Hotel Zion", wo einige alte
Herren Pharisäer jeden Abend ihr Schöppchen trinken und sich
die angekoinmenen Fremden mustern könnten. Der ehemalige
Thurm Davids würde wohl zu einer Gasfabrik eingerichtet wer-
den, da von dieser Stelle aus das Gas am leichtesten durch die
ganze Stadt, bis vor's Herodesthor und zum Haus des Pilatus
vertrieben werden könnte. Auch dürften um die gauze Stadt
herum bald freundliche Glacis entstehen, mit englischen Anlagcn,
die sich bis zum schöneu Flecken Bethania erstrecken, wo vielleicht
ein unternehmender Deutscher oder Schweizer eiu elegantes Cafe
errichtet. Daß danu auch Droschken, Fiaker, Lohndiener u. s. w.
nicht lange auf sich warteu lassen, versteht sich von selbst. Die
heiligen Orte verwandeln sichin „Sehenswürdigkeiten",
die Pilger in Fremde, statt Hut, Stab und Kürbisflasche sieht
man Plaids, Regenschirme, roth eingebundene Bücher und Reise-
Perspektive. Wie viel Stoff bietet die heilige Stadt sür einen
neuen Bädeker! Wie oft kann der Mann seine empfehlenden
Sternchen anbringen. Das „**heilige Grab" — zwei Stern-
chen, ja nicht zu versäumen; *Moriah, mit Tempelruinen, jetzt
Moschee Omars, Fremden nur gegen Bastonnade zugänglich;
*Teich Bethesda, ehemaliges Mineralbad, dem sich vielleicht durch
einen kleinen Spieltisch wieder aufhelfen ließe u. s. w. Ueber-
haupt muß auch sür Unterhaltung gesorgt werden; in der Stadt
abwechselnd Bälle bei Kaiphas und Annas und jeden Donnerstag
und Sonntag Musik L 1u Gungl im Garten Gethsemane —
welch' herrliche Versöhnung der biblischen Geschichte mit der mo-
dernen Civilisation!
Und das ist der Segen der Eisenbahn, daß sie stets neue
Bahnen muß gebären! Kaum wird die Strecke Jaffa-Jerusalem
durch eine feierliche Eröffnungsfahrt eingeweiht sein, so werden
sich auch schon Deputationen aus Samaria und Galilaea ein-
finden, mit der Bitte, diese anmuthigen und sruchtbaren Pro-
vinzen in den allgemeineu Verkehr zu ziehen und wenigstens die
Concession zu Projektirungsarbeiten zu ertheilen. Die Weiter-
führung der Bahn nach Norden ist auch unzweiselhast. Wenn
jedoch die Allg. Ztg. unlängst einen Tunnel durch den Oelberg
prophezeite, so ist das wohl nur schlechter Witz, denn warum
sollte man, abgesehen vom Kostenpunkt, nach dem todten Meere
zu baueu, wenn man an den See Genezareth will? Nein, die
Zweigbahn läuft gleich vom Jaffathor nördlich dem Thale Josa-
phat zu, das nach Pauli'schem System überbrückt werden muß.
Wenn sich die Menschheit am jüngsten Tage dort versammelt,
kann gleich der Viadukt als Gränze von Links und Rechts, als