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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0104

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Wie die Wiener „Blätter für Theater und Musik" berickteu, hat
Barou Siua bereits seine erste musikalische Soiwe gecrebeu und war
hiezu die Heldiu des Tages, Frl. Stehle, geladeu. Mitglieder des kalsew
licheu Hauses, Diplomaten, eiuige osterreichischc Gutsbesitzer ü lu Vsther-
hazv, sowie auch eiuige Freuude uud Bekauute des Herru v. Siua, recht
milliouärrische Käuze, wogtcu durch die Salons.

Eiu sehr libcraler Journalartikel zu Guusten der Poleu bringt sol-
gende gefährliche Erpectoratiou: „Was uützt die Gesetzlichkeit
polizeilicher Maßregelu, weuu sie der Würde des Staates uud deu
Fordcrungen der Humauität widersprechen?" Also zuerst kommt die
Staatswürde, dauu die Humauität uud danu erst die Gesetzlichkeit eiuer
polizeilicheu Maßregel m Betracht? Eine uuvorsichtige Behauptung, ein
zweischueidiger Gruudsatz. Die „staatsrechtliche" Nothwendigkeit ist be-
grabeu, es lebe die „humauitätsrechtliche", die „würdebewahreude"!

Der j ü ugsteKouig ist gegenwärtig ofsenbar der voir -- W ü rtem-
berg. Ja, er muß es seiu, deuu alle schwäbischeu Zeituugeu melden
am 6. Atärz: „Jm ganzeu Laude ist der erste Geburtstag des Ko-
uigs iu überaus herzlicher Weise gefeiert wordeu."

Große, fast au Melaucholie streisende Heiterkeit erregt bei dem be-
theiligteu Staud eiue Rede des Hru. Crämer vou Doos, wobei er
deu Lehreru zuruft: „Hört auf, Euch als Beamte des Staats zu
betrachteu, au's Volk schließt Euch an, nur vou uuteu ist Heil zu
erwarteu!" Herru Crämer war es hier offenbar um eine Redesigur
zu thuu, er respektirte den Sachverhalt so weuig wie damals, als er die
baherischcu Baueru vor dem zollfreieu Eiutrieb österreichischer Ochseu
warute. Mau deuke sich das ebeu so herzerschütterude als iuteressaute
Bild eines Laudschulmeisters, der sich au's Volk augescblosseu hat uud
seiu Heil vou uuteu herauf erwartet! Der sog. kalte Braud, der bei
deu Zeheu ausäugt, müßte gegeu dieseu Zustaud eiu wahrer Jur seiu.
Möglich, daß iu, um uud zwischeu Nüruberg uud Doos, wo die Baueru
vor^m Drescheu uoch geschwind die „Wochenschrist der bayrischeu Fort-
schrittsparthei" leseu, solche Aufkläruug herrscht, daß sie deu Schullehrer
uicht als Schmarotzerpflauze souderu als den Freuud uud uubezahlbareu
Wohlthäter ihrer Kiuder betrachten. Jm Allgemeiueu aber ist es heut
zu Tage uoch so, wie bei deu Griecheu und Römeru: deu Uugebildeteu
kommt es leichter au, eiuen Guldeu für phvsische Bedürfuisse oder Ge-
uüsse aufzuweuden, als eiueu Sechser für Erziehuugszwecke. Eiu Lehrer,
der sich au's Volk, resp. au seiue Baueru „anschließt" , um vou ihueu
zu leben, ist eiu bedaueruswerther Europäer! Da Herr Crämer prak-
tischeu Verstand besitzt, so wird er wohl im Stilleu den lluwerth seiner
Phrase selbst bekeuueu, er müßte deuu au eiu goldeues Zeitalter glauben,
iu welchem das „Volk" wirklich etwas auderes ist, als gegcuwärtig.
Dauu müßte aber auch die Zumuthuug iu Betreff des „Auschlusses"
an die Zukuufts-Schulmeister gerichtet werden; die gegeuwärtigeu erwarteu
vou gefeierteu Volksmäuueru uützlichere Rathschläge.

Druck der IU. Mtld'schen Buchdruckeret (ParcuS).
 
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