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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0138

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Keine Reclame!

Dawison, der Schauspieler von säculärer Bedentnng, dessen
Biographie in keiner Encyklopädic fehlt und dem nach seinem Tode
unfehlbar cine Neiterstatue gesetzt wird, Dawison, der liebcnswür-
dige uud doch so bescheidene Künstler, cine jener europäischen Persön-
lichkeiten, von wclchen das Publikum wenigstens wöchentlich einen
Charakterzug lesen will — mit einem oder vielmehr mit 2 Worten:
Bogumil Dawison hat in Wieu 40,000 fl. verdicnt uud cinen
Effekt gemacht, der selbst die östreichischen Finanzen erschüttert
hätte, wenn dicß noch mehr möglich wäre. Von diesen 40,000 fll
gab er, laut Handbillet an die Ocffentlichkeit, 2000 fl. für Gutzk ow.
Welche Gabe, wclche Großmuth! Wo kämen die krauken Dichter
hin, wcnn's keine gesunden Schauspieler gäbe. Wenn Dawison
dafür, daß er Nollen darstellt, 40,000 fl. erhält, so sind 2000 sl.
zu viel für einenMann, der bloß Stücke schreibt. Aber Dawison
ist nobel und thut gern was Uebriges. Zu einer von ihm ver-
anstalteten Wohlthätigkeits-Vorstellung subscribirte ein Banquier
15 Thaler; Dawison aber warf ihm den Bettel vor die Füße
uud sprach: „Für 15 Thaler mache ich keinen Besuch!". Die
Geschichte war diesen Winter in allen Zeitungen zu lcsen. Wir
wissen nicht, was Hippokrates für einen Besuch verlangte, aber
Oppolzer, Gräfe, Scanzoni und audere berühmte Aerzte dürften,
wcun sie weiter nichts als einen Gang zu machcn haben, für
einen solchen kaum die Hälfte aufrechuen; Dawison aber thut's
uoch nicht ciumal für 15 Thaler. Und das Alles ist keine
Neclame, sonderu nackte selbstverständliche Wirklichkeit. Die Ge-
schichte wird sich einst wuudern, daß es nicht noch viel ärger war.
Doch nicht genug. Amerika wirkt nicht nur auf Europa, son-
dern auch umgekehrt. Der atlantische Ocean ist kein Hinderniß
für die Anziehungskraft Dawison's. New-Porker und Californier
Blätter melden von Unterhandlungeu — zwischen wem? Zwischen
Nord und Süd, Liucoln uud Lee? Nein, zwischen amerikanischen
Theater-Direktoren uud Dawison. Für einen solchen Mimen
genügt ein Welttheil nicht; wäre Amerika noch unentdeckt, so
müßte ein Columbus erstehen, um ihm neue Felder für Gastspiele
zu erschließen. Neben dem großen Telegraphenkabel wird es zwi-
schen der alten und der ueuen Welt kein stärkeres Band geben,
als die gemeinschaftliche Bewunderung Dawison's und der hin-
und herströmende Austausch dieser Enthustasmen. Und doch
kommt das Gastspiel vorläufig nicht zu Stande. Amerika ist
uoch zu erschöpft, um Dawison sehen, hören, ausfassen und —
bezahlen zu können. Die Summe, die er jedes Mal für sein
Auftreten verlangt, klingt horrend, wir wagen gar nicht sie
 
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