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Manchen, $. Okt. 1914.

Beüage zcr „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seeßsaan, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

XI. Jahrg. Nr. 1.

Inhalt: Zum Beginn des XI. Jahrgangs der Münchner kunsttechnischen Blätter. — Ihustrationsverfahren. Von
Johann Mai. — Bemerkung zur Geschichte des weissen Radiergrundes. Von Conrad Laar. — Die
Wiederhersteiiung von Leonardo da Vincis „Letztes Abendmahi".

Zum Beginn des XI. Jahrgangs der Münchener kunsttechnischen Blätter.
Mit der vorliegenden Nummer tritt die technische Beilage der „Werkstatt der Kunst" in
das zweite Jahrzehnt ihres Bestehens, und unter äusseren Umständen, die für die Kunst, sowie für
alles, was mit ihr zusammenhängt, in höchstem Grade ungünstig sind. An den Grenzen unseres
Vaterlandes tobt der Krieg! Wenn die Kanonen donnern, müssen die Musen schweigen. Dem, für
uns Deutsche siegreichen Ausgang des grossen Ringens sehen wir zuversichtlich entgegen und dann
mag wieder die Zeit der Ruhe und der Arbeit gekommen sein. Bis dahin heisst es „durchhalten"!
Noch jeder Krieg hat mit einem Frieden geendet und es liegt daran, die gerissenen Fäden wieder
aufzunehmen und weiterzuarbeiten. Es soll auch wie bisher die Aufgabe auf dem Gebiete sein,
das die Leitung der „Münchener kunsttechnischen Blätter" auf ihr Programm gesetzt hat, die Er-
fahrungen technischer Art der Künstlerschaft mitzuteilen, und sie rechnet hierbei auf das Wohlwollen
der Kollegenschaft auch in dem jetzt beginnenden zweiten Jahrzehnt.
Die Leitung der „Münchener kunsttechnischen Blätter".

Illustrationsveriahren.
Von Johann Mai.
Wenn es sich um die Beschreibung irgendeiner
Sache oder eines Ereignisses handelt, die für die All-
gemeinheit bestimmt ist, da gebraucht man das ge-
druckte Wort, und zur Ergänzung oder zur besseren
Versinnbildlichung derartiger Niederschriften die Ab-
bildung oder Illustration. Durch die bildliche Dar-
stellung wird zumeist eine lange Erläuterung abgekürzt,
weil diese den Gegenstand oder die Sache übersichtlicher
und naturgetreuer wiedergibt als es die eingehendste
Schilderung oder Beschreibung vermag. Von diesem
Standpunkte aus wurden schon die ältesten Druckwerke
mit Bilderschmuck aller Art versehen, mit dem offen-
baren Bestreben, dass einesteils der kahle Worttext
ergänzt und abgekürzt, und andernteils die Kauflust
im Volke mehr angeregt werden sollte.
Der vor der Erfindung der Buchdruckerkunst
ausgeübte Holzschnitt konnte sich erst durch die
Weiterverbreitung der ersteren so recht entwickeln,
und wandten sich die berühmtesten Maler der Holz-
schneidekunst zu. Der Holztafeldruck, mit welchem
bekanntermassen Gutenberg zuerst druckte, war schon
vor der Erfindung der Buchdruckerkunst insoweit be-
kannt, dass die Briefmaler von derartigen Tafeln druckten,
und dass man ganze Bücher mitTextund Bildern herstcllte
von Druckstöcken (Holztafeln) wo Schrift und Zeich-
nung erhaben herausgearbeitet waren.

Durch Gutenbergs Erfindung verlor der Holzschnitt
insoweit an seiner Bedeutung, als die beweglichen
Lettern den Schriftholzschnitt überflüssig machten.
Dagegen konnte sich der Holzschneidekünstler dem
Illustrationsschnitte allein widmen, welch letzterer als
besonderer Druckstock zwischen dem Letternsatze
eingefügt und so vereinigt auf den von Gutenberg
erfundenen Buchdruckpressen zum Abdruck gelangte.
Aus den Pressen gingen die Erzeugnisse d. h. die
Bücher hervor, die berufen waren, Kultur und Bildung
unter die Völker zu tragen. Die Bilder, die zur Er-
läuterung des Textes dienten, regten den Geist und
die Begierde an, dass man das, was dem Auge in den Bil-
dern geboten wurde, auch verstehen und begreifen
wollte, woraus sich der Zwang zur Erlernung des
Lesens ergab.
Wenn uns Illustrationen aus der Kindheit der Holz-
schneidekunst vor die Augen kommen, so belächeln
wir unwillkürlich die naive Auffassung und rohe Ge-
staltung des gesamten Bildes; ungeschickt, eckig oder
abstossend sind die Figuren geschnitten, jede Bewe-
gung fehlt, ohne Ausdruck erscheinen die Zeichnungen
und trotz dieser Mängel entsprachen solche Bilder dem
Volke damals vielleicht besser, weil es noch nicht
übersättigt war, währenddem wir in jetziger Zeit, durch
die Unmenge des Gebotenen abgestumpft, selbst die
besten Illustrationserzeugnisse der gegenwärtigen ver-
vollkommneten Technik nicht mehr oder nur oberflächlich
beachten. Die hier erwähnte Unvollkommenheit äl-
 
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