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Manchen. 2. Nov. 1914.
Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint <4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.
H Jahrg. ür. 3.
Inhalt: Zwei Aussprüche Tizians und ihre Beziehung zu seiner Malweise. Von E. B. —
Von Johann Mai. (Fortsetzung statt Schluss.) — Eiweiss als Bindemittel.
Schellackseife.
Illustrationsverfahren.
Von E. Ebelin. —

Zwei Aussprüche Tizians und ihre Beziehung zu seiner Maiweise.
Von E. B.

Unter den Künstlern der Renaissancezeit ist
vielleicht keiner als „Maler" so gefeiert worden
als Tizian, und man kann dies begreiflich Anden,
wenn wir seine auch heute noch in wunderbarer
Farbenglut erstrahlenden Werke betrachten. Es
seien nur Gemälde erwähnt, wie der Zinsgroschen
(Dresden), Die Kirschenmadonna (Wien), Die
Assunta (Venedig), Die irdische und himmlische
Liebe (Rom), die zahlreichen Bildnisse, Alle-
gorien usw., die sich in den grossen Galerien
Europas befinden.
Wenn wir uns darüber Rechenschaft geben
wollen und in den Kunstbüchern dieser Zeit nach
authentischen Nachrichten Umschau halten, in
welcher Weise Tizian seine koloristischen Effekte
zu erreichen trachtete, so werden wir sehr ent-
täuscht sein, wie wenig davon auf uns gekommen
ist. Die Berichte überbieten sich an Lobesbe-
zeugungen, die von der ungemeinen Wertschätzung
der malerischen Leistung des Meisters Zeugnis
geben, aber technische Einzelheiten bringen sie
nicht, oder doch nur sehr weniges, aus dem man
sich kein rechtes Bild des technischen Vorgangs
zu machen vermöchte.
Das auf technische Besonderheiten der Tizi-
nischen Malweise bezugnehmende Material findet
sich in zwei Schriften des Marco Boschini, der
als Zeitgenosse Tizians zwar nicht gelten kann,
denn er schrieb hundert Jahre nach Tizians Tod,
aber es scheint dennoch, dass er einer in Venedig
lebendig gebliebenen Tradition gefolgt ist. Die
eine dieser Schriften ist betitelt „La carte del
navigar pitoreseo" (Venedig 1660), deren Inhalt als
eine Beschreibung von Land und Leuten von
Italien angesehen werden kann. Die auf Tizian
bezüglichen Stellen findet der Leser in dem Ar-
tikel: „Wiegmann über die Malweise des Tizian

und Goethes Larbenlehre" (Münch. Kunsttechn.
Bl. VI. Jhg. No 18 von 30. Mai 1910) in der
Wiegmannschen Uebersetzung abgedruckt. Die
zweite Schrift Boschinis „Le rieche Minere delle
Pittura Veneziana" (Venedig 16/4) ist, soviel mir
bekannt, niemals in deutscher Sprache wiederge-
geben worden. Sie enthält in einer Einleitung
besondere Abschnitte über die Malweisen der
venetianischen Meister, Tizian, Bassano, Paolo
Veronese u. a., woran sich noch ein Abschnitt
über Farben anschliesst. In etwas schwülstigem
Stil geschrieben bieten diese Kapitel immerhin
einige Anhaltspunkte für die Arbeitsweise und
die Bildentstehung, wie sie z. B. durch die An-
gaben über Untermalung und Uebermalung be-
dingt sind und diese Hinweise gewinnen an
eigentlichem Wert, wenn wir sie in Beziehung zu
anderen Schriftquellen der Zeit bringen. Als
solche Kunstschriften wären zu nennen Giov.
Paolo Lomazzo's Trattato dell' arte delle Pittura,
scultura ed architettura (Mailand 1583), Giov.
Battista Armenini's De veri Precetti della
Pittura (Ravenna 1587) und eine handschriftlich
erhaltene Abhandlung des Malers Giov. Battista
Volpato aus Bassano, der zwar erst 1633 ge-
boren, immerhin durch Tradition überkommenes
Material über technische Einzelheiten z. B. über
Grundierung von Leinwand und dgl. zum besten
gibt.*)
Aber in keinem dieser Bücher habe ich bis
jetzt die beiden Tizian zugeschriebenen Aussprüche
angeführt gefunden; es fehlt überhaupt jeder
authentische Nachweis darüber und dies war
auch vornehmlich der Grund, warum ich diese
*) Ueber diese oben erwähnten Werke des Lomozzo,
Armenini und das Volpato-Ms. findet der Leser nähere
Angaben in meinen „Beiträgen", Bd. IV.
 
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