Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Müschen, 30. NoY. 1914.

Beilage zur „Werkstatt der Knast" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheiati4tägig nnter Leituag voa Maier Prof.Erast Berger.

H. Jahrg. Nr. 5.

Inhalt: Zwei Aussprüche Tizians und ihre Beziehung zu seiner Malweise. Von E. B. (Schluss). — Oeigrundierung
oder Leimgrundierung? Von C. Hebing. — Tempera-PasteH Bössenroth.

Zwei Aussprüche Tizians und ihre Beziehung zu seiner Maiweise.
Von E. B.
(Schluss.)

Missglückte diese Arbeit, dann blieb nur übrig,
sie einzweites, eventuell ein drittesMal zu versuchen.
Oder das ganze Stück musste noch einmal in Grau
vorbereitet werden. Dabei geschah es mitunter,
dass beim zweiten Uebergehen Teile der ersten
Lasur wieder aufgerissen wurden und das „förm-
liche Restaurieren", von dem Naue spricht, war
eine notwendige und recht unangenehme Beigabe.
Deshalb hatten wir Schüler damals eine heillose
Angst vor dem „Lasieren" und malten lieber alla
prima weiter, oder wir begnügten uns mit den
nassen Lasuren, die man ruhig stehen und trock-
nen liess.
Als erschwerender Umstand kommt bei der
Lasurtechnik noch in Betracht, dass gerade die
hier anzuwendenden Farbstoffe, insbesondere
die Lacke (gelber Lack, Krapprot u. a.) zu den
langsamst trocknenden Pigmenten gehören, und
deshalb Trockenmittel oder Firniszugaben uner-
lässlich sind, wenn auf eine bestimmte Trocken-
zeit gerechnet werden muss. Auch auf diese
Schwierigkeiten mag sich der Ausspruch Tizians
beziehen.
Unsere schülerhaften Malstudien von damals
mit den Meisterwerken eines Tizian zu verglei-
chen, ist ja einfach lächerlich! Aber nichtsdesto-
weniger zeigt der Ausspruch des Tizian, dass
selbst ein so gottbegnadeter Künstler wie er in
seiner, von ihm gewiss in vollkommenster Art be-
herrschten Technik von Zufälligkeiten günstig oder
ungünstig beeinflusst werden konnte, und dass
dieser Ausspruch als ein geflügeltes Wort sich
durch die Jahrhunderte erhalten hat, kann nur durch
Tizians grossen Namen erklärt werden. Von irgend-
einem anderen aufgebracht, hätte er sich keine
Generation erhalten können.

Was bedeutet der zweite Auspruch: Collo
sporcare si trova, und wie mag er mit Tizians
Technik in Beziehung gebracht werden?
Für das Zeitwort sporcare finden wir in ita-
lienischen Wörterbüchern die Bedeutung „be-
schmutzen, beschmieren, figürlich beflecken, ent-
ehren, schänden", also wörtlich übersetzt hiesse der
Ausspruch: Mit dem Beschmutzen (Beschmie-
ren) findet sichs. Will man den Satz in figür-
lichem Sinne erklären, dann müsste man auf eine
Episode im Leben des Tizian verweisen, da er,
von missgünstigen Neidern bei der Signoria von
Venedig verdächtigt, in die Notwendigkeit ver-
setzt worden war, sich gegen diese Anschuldi-
gungen zu verteidigen. Er mag dabei den Aus-
spruch getan haben: Lasst sie nur meinen
Namen besudeln, es wird sich schon fin-
den, dass ich zu unrecht beschuldigt werde. Diese
Erklärung des obigen Satzes rührt vom Kollegen
Manuel Wieland her, der sich bekanntlich viel mit
Tizians Leben befasst hat und der auch die ver-
schollenen 12 Bilder römischer Kaiser in den De-
korationen der „Herkules-Stiege" der Münchener
Residenz wieder entdeckte. (Leider sind diese
Bilder von brutalen Händen stark überpinselt und
in ihren Formaten der barocken Umrahmung zu-
liebe arg verstümmelt, teilweise gar durch schlechte
Kopien ersetzt worden, so dass von Kunstgelehrten
deren Echtheit ganz und gar angezweifelt wurde).
Versuchen wir aber den Ausspruch „collo spor-
care si trova" mit den Besonderheiten der Lasur-
technik in Beziehung zu setzen, dann scheint in
dem „Beschmutzen" der unbestimmte Mittelton
(bräunlich-grau, mehr oder weniger kalt und warm
gehalten) gemeint zu sein, der als Generallasur
über Fleischpartien oder über die Schatten ge-
 
Annotationen