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Hänchen, 16. August 1915.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint t4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

II. Jahrg. Nr. 22.

Inhalt: Die Maltechnik Franz v. Lenbachs. Vom Herausgeber. (3. Fortsetzung.) — Was soll der Künstier, der
Maier, von der Chemie wissen? Von Georg Büchner. (3. Fortsetzung.)— Bequemes Transportieren
nasser Studien. Von Rob. Hahn, Dresden.

Die Maltechnik Franz v. Lenbachs.
Vom Herausgeber. Fortsetzung.)

Es wurde damals dem Künstler von ihm übel-
wollenden Neidern nachgesagt, er arbeite mittels
oder nach Photographien und entwerte damit
seine Bilder. Dieser Vorwurf ist sehr ungerecht.
Er benutzte wohl die Photographie und machte
sich die obengenannten Pausen nach solchen, für
ihn eigens oder zu seinen Zwecken hergestellten
Vergrösserungen. Wer aber solche vergrösserte
Abdrücke kennt, wird wissen, dass es nicht so
leicht ist, aus ihnen die für das Vorbild charak-
teristischen Züge mit wenigen sicheren Strichen
wiederzugeben; dazu gehört eben die überragende
Kennerschaft eines vielerfahrenen Porträtisten.
Die Pausmethode bot für Lenbach noch einen
weiteren Vorteil, indem er ohne grosse Mühe
nach ein und derselben photographischen Vorlage
seine Aufzeichnungen wiederholen konnte, wenn
ihm der „erste Wurf" nicht gelungen war oder
von vornherein Varianten des nämlichen Porträts
beabsichtigt waren. Wer sich mit Temperatechnik
nur einigermassen befasst hat, weiss nämlich,
dass hier oft mit nicht beabsichtigten „Ueber-
raschungen" gerechnet werden muss; es treten
beim Firnissen der Temperaschicht Tonänderungen
ein, mit denen man nicht gerechnet hatte, oder
sie sind vielleicht für die Weiterarbeit in dem
bestimmten Falle nicht günstig ausgefallen; auch
können Flecken in den Fleischpartien eintreten,
die bei Uebermalungen durchschlagen würden.
In solchen Fällen ist es jedenfalls am einfachsten,
die Arbeit neu zu beginnen, und von diesem
Gesichtspunkt betrachtet, kann die Pause die
Arbeit wesentlich vereinfachen. Jeden Maler
würde es höchlichst verdriessen, aus diesem
Grunde die Aufzeichnung von neuem machen zu

sollen und ein ohnedies schwer zu habendes Modell
zu einer nochmaligen Sitzung quälen zu müssen.
Die eigentliche Arbeit, das Fertigmalen (die
Untermalung konnte ohne das Modell leicht er-
ledigt werden!), erfolgte dann in Anwesenheit
des Modells, nach Einreibung der Temperamalerei
mit Malhrnis oder einem geeigneten, länger oder
kürzer trocknenden Malöl, mittels der üblichen
Oelfarben. Soviel mir erinnerlich, gebrauchte
man Anfang der achtziger Jahre in München vor-
nehmlich die Oelfarben der Düsseldorfer Fabriken
oder die Berliner Farben von Moewes. Merk-
würdigerweise hatte damals die Kunststadt München
noch keine Künstlerfarbenfabrik grösseren Stiles!
Lenbachs Manier bestand nun, wie oben er-
wähnt, darin, die günstig in Temperafarben vor-
bereitete Malerei mittels der Oelfarben weiter-
zuführen. Unterstützt wurde diese Arbeit durch
die Transparenz der Temperatöne, die z. B.
bei den Augensternen einfach stehenblieben und
durch das Einsetzen der höchsten Lichter mittels
deckender Oelfarbe, mit der, weiter übergehend,
die Karnation, die Mitteltöne des Fleisches usw.
vollendet wurden.
Diese Kunst, hier mit den allergeringsten
Mitteln auszukommen, hatte Lenbach zur Vir-
tuosität gebracht. Es gibt Bilder aus der Zeit,
die in der Tat fast ohne Farben gemalt sind,
nur erzielt durch die feine „Verteilbarkeit" des
Pigments, eine Eigenschaft, die Lenbach oftmals
als erste Bedingung für ihre Verwendbarkeit in
der Malerei bezeicnnete. Die Modellierung, die
Färbung des Flintergrundes, die Gewandung und
andere Nebensachen wurden so gehalten oder
„abgetönt", dass alles Licht einzig auf das Ge-
 
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