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Münchner kunsttechnische Blätter

Nr. 21.

stabile Form, welche man auch ganz passend mit dem
„Altern" der Stoße bezeichnen kann. Wie wir bereits
oben (Seite 94) gesehen haben, kann man die
Geschwindigkeit derartiger Reaktionen oder Zustands-
änderungen bei Temperaturerhöhung so bewerten, dass
eine Steigerung um io° einer Verdoppelung der
Reaktionsgeschwindigkeit entspricht und umgekehrt.
Da nun die Umwandlung des weissen Phosphors in den
roten bei 250° C in einigen Stunden vor sich geht, so
kann man berechnen, dass für die Umwandlung bei
einer Temperatur von 20° C bereits ein Zeitraum von
1000 Jahren erforderlich wäre. Würden wir also heute
weissen Phosphor darstellen und bei gewöhnlicher
Temperatur bei Lichtabschluss aufbewahren, dann könnte
ein Beobachter, der in 1000 Jahren lebt, durch eine
sog. plötzliche Umwandlung dieses Stoßes in ein rotes
Pulver überrascht werden.
Aehnliche Allotropien sind für viele andere
Elemente bekannt, so beim Sauerstoß (gewöhnlicher
Sauerstoß und Ozon), beim Schwefel, Selen, Tellur,
Arsen, Antimon, Bor, Silizium, Kohlenstoß (Kohle,
Graphit, Diamant), Zinn und anderen. Die Verhältnisse
des Zinns sind besonders, weil für das praktische
Leben direkt von Bedeutung, lehrreich. Das Metall
Zinn kann in Form des weissen und derjenigen des
grauen Zinns erscheinen. Wir haben gelernt, beide
Zustandsformen beliebig ineinander überzuführen. Es
ist seit langer Zeit bekannt, dass in Gegenden mit
starker Winferkälte die sonst äusserst haltbaren Zinn-
gegenstände nicht haltbar sind. Orgelpfeifen, selbst
Blöcke aus reinem Bankazinn hat man unter solchen
Einflüssen unter starkem Aufblähen zu Pulver zerfallen
sehen. Es geht hier das Zinn spontan in eine andere
Zustandsform, in das graue Zinn, über; das graue Zinn
hat ein spezifisches Gewicht von 5,8, ist also voluminöser
als das gewöhnliche weisse Zinn mit dem spezifischen
Gewichte von 7,28. Oberhalb 20° C geht das graue
Zinn wieder in die weisse Zustandsform über. Diese
Tatsache kannte bereits Aristoteles. Man wusste auch,
dass, wenn man das normale weisse Zinn mit grauem
Zinn (unter -j- 20° C) in Berührung bringt, sich das
erstere langsam in graues Zinn umwandelt und zu Pulver
zerfällt. Es hat dieses Veihalten grosse Aehnlichkeit
mit einer Infektion, einer durch Keime veranlassten
Krankheit; deshalb wurde seit langem dieser Vorgang
mit dem ganz folgerichtigen Namen der „Zinnpest"
belegt. Derartig infizierte Zinngegenstände müssen
entfernt werden, wenn man die anderen normalen ge-
sund erhalten will. Es handelt sich hier nicht um die
Wirkung der Atmosphäre, der Feuchtigkeit usw., sondern
nur um die Temperatur. Es findet keinerlei Gewichts-,
sondern nur Energieänderung statt.
Als genaue Umwandlungs-Temperatur hat man
-]- 18,5° C erkannt. Es ist das wieder ein ähnlicher Vor-
gang wie bei dem überkalteten Wasser und seinem
Uebergang an Eis; es ist interessant, darauf hinzuweisen,
dass bereits Aristoteles instinktmässig auf diese Aehnlich-
keit beider Vorgänge hinwies. Aus dem Verhalten
bzw. der Existenzbedingung der beiden Zustandsformen
des elementaren Metalles „Zinn" ergibt sich der merk-
würdige Umstand, dass alle unsere Zinngegenstände,
wie wir sie im täglichen Leben haben, sich in einem
metastabilen Zustand befinden, also in einem Zu-
stande, der ihnen bei gewöhnlicher Temperatur gar
nicht zukommt, und dass sie, wenn die Umwandlung
keine so langsame wäre, zerfallen müssten. Nur an
warmen Tage, wenn die Temperatur oberhalb 18,5° C
liegt, ist ihr Zustand ein berechtigter, wirklich sta-
biler. * (Fortsetzung folgt.)
Zwei Rezepte tür die Werkstatt.
Das Geschmeidigermachen der Zaponlacke. Der
selbsterzeugte sowie der käufliche Zaponlack hat fast

durchschnittlich den Fehler an sich, dass er nach dem
Trocknen etwas zu hart und spröde ist, wodurch er
sehr leicht zum Reissen und Springen neigt, sobald die
damit bestrichenen Bilder, Papiere usw. gefalzt oder
auch nur irgendwie gebogen oder geknickt werden,
wodurch dann nicht selten die Bildschichten Ver-
letzungen erhalten.
Um den allzu spröden harten Lacken mehr Bieg-
samkeit und Geschmeidigkeit zu verleihen, gibt man
zu etwa 250 ccm Lack (d. i. Liter) etwa eine halbe
oder ganze Erbse gross bestes, goldgelbes venezia-
nisches Terpentinharz, oder es sind höchstens 2 bis 3
Tropfen bestes Rizinusöl zu gebrauchen, doch scheint
es mir, als wäre das venezianische Terpentin bei den
angestellten Versuchen geeigneter; es kommt natürlich
auf die Qualität des Zaponlackes, bezw. der Lösungs-
mittel an, wie sich diese zu den benannten Bei-
mischungen verhalten. Die vorherige Aufstellung eines
kleinen Versuchsquantums ist deshalb anzuraten. M.
Aetzimitationen von Werkstattscheiben. Eine dem
matt geätzten Glase sehr ähnliche Imitation erzielt
man, wenn absolut reiner Kautschuk in ganz kleine
Stückchen zerschnitten und diese in reinem Petroleum-
äther aufgelöst werden. Nach längerem Stehen und
öfterem Umschütteln hat sich der letzte Rest des
Kautschuks gelöst, und lässt man das Ganze einige
Tage abstehen, worauf die obere ganz klare Flüssig-
keit sehr vorsichtig in einen anderen weithalsigen
Glasbehälter abzufüllen ist. Dann versetzt man die
Lösung noch mit durch Weingeist vermischter frischer,
d. h. ungekochter Milch, worauf nach gründlichem
Umrühren das Mattieren der Gläser statthnden kann.
Die in dieser Weise mattierten Scheiben haben ein
mattes, milchglasähnliches Aussehen, und hat sich
der Anstrich selbst gegen Feuchtigkeit und Kälte sehr
gut bewährt. Die bestrichenen Scheiben lässt man
einige Zeit trocknen, und müssen die nassen Anstriche
vor Staub und Schmutz sehr behütet werden. M.
Entwerfen von Druckarbeiten auf dunk-
len Papieren.
Zum Entwerfen von Druckarbeiten auf dunklen
Umschlagpapieren ist eine weisse Tinte zu benutzen,
die durch Zusatz von gelben, roten, blauen und grünen
Lackfarben beliebig gefärbt werden kann und ist man
in der Lage, mit solchen Tinten sehr ansprechende
Entwürfe zu liefern.
Die Bereitung der weissen Tinte ist ziemlich ein-
fach und benötigt man etwa 100 g feinst pulverisiertes
prima Permanentweiss, welches vorerst mit 60 g 96 °/„ Al-
kohol sehr gut durchgerieben werden muss, worauf
es mit 80 g Gummilösung vermischt und nach Zugabe
von einer Wenigkeit Ochsengalle nochmals einige Zeit
mit dem Finger gerieben wird, alsdann ist die Farbe
in einem gut verkorkten Fläschchen zu verwahren,
aus dem sie zu verarbeiten ist.
Die Gummilösung ist aus 50 Teilen echten
arabischen Gummi und aus 100 Teilen destilliertem
Wasser herzustellen und ist der Gummi durch kräf-
tiges anhaltendes Umrühren zur Lösung zu bringen,
dann durch Leinwand zu pressen, damit kein Schmutz
in die Farbe kommt und kann die Ochsengalle auch
im Gummi schon aufgelöst werden. Durch das Bei-
fügen der letzeren hebt sich die Farbe selbst auf
ganz glattem Papier sehr gut ab, zeigt einen schönen
Glanz und feste Haltbarkeit und lässt sich die Farbe
mit dem Pinsel, der Feder und Reissfeder leicht ver-
arbeiten und sie ist ziemlich radierfest. Die Entwürfe
dürfen natürlich nicht gerollt oder gebrochen
werden. M.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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