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Mönchen, 27. Dez. 1914.
Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint )4tägig unter Leitung von Mater Prof. Ernst Berger.
11. Jahrg. Nr. 7.

Inhalt: Der Farbenfund von Herne-St. Hubert. Vom Herausgeber. (Schluss.) — Oelgrundierung oder Leim-
grundierung? Von C. Hebing. (Schluss.) — Ersatz für ausländische Fabrikate.— Reinigen von Pinseln.

Der Farbeniund von Herne-St. Hubert.
Vom Herausgeber.
(Schuss.)

Trotzdem das Ergebnis der chemischen Ana-
lysen von Lüttich meine durch das Zeugnis in
-den antiken Schriften des Arztes Aetius, der von
trocknenden Oelen zu Zwecken der Enkaustik
und Vergoldung berichtet, begründete Annahme
von dem Aufgehen der Enkaustik in die spätere
byzantinische Malerei mit Oelen und Harzen voll-
auf zu bestätigen schien, hat Hr. Huybrigts auf
meine Bitte der Vornahme einer zweiten und
viel eingehenderen Analyse zugestimmt, bei der
fast der vierte Teil der Farbenwürfel und andere
Farbenreste der Erforschung der Natur des
Bindemittels geopfert wurden. Diese Analyse
ist von demspeziellaufdemGebieteder Wachsunter-
suchung wohlbewanderten Münchner Chemiker
Georg Büchner indessenLaboratoriumausgeführt
worden (s. den ausführlichen Bericht a. a. O.
S. 2/3)- Wenn auch die Münchner Untersuchung
die Resultate der nur mit ganz geringen Mengen
ausgeführten Analysen von Lüttich der Haupt-
sache nach bestätigt hat, so gestattet sie doch
eine Modifikation der oben ausgesprochenen
Ansicht.
Während die Lütticher Analyse nur die An-
nahme eines ursprünglich vorhandenen Oeles
als Bindemittel wahrscheinlich macht, lässt die
Münchner es unentschieden, ob die hochoxy-
dierten Fettsäuren von einem Oel, von Fett
oder von Wachs herrühren; auch Gemische
von Oel und Wachs würden dieselben Stadien
der Oxydation im Laufe der Jahrhunderte durch-
gemacht haben.
Die Zersetzung von Oelen, Fetten oder Wachs
und die Abspaltung ihrer OxydationsprcJukte
schreitet in gleicher Weise vor, wie bei den ähn-
lichen chemischen Verbindungen von Stickstoff,
Wasserstoff und Sauerstoff, aus denen die obigen

Materien bestehen. Endlich bleiben nur dieje-
nigen Verbindungen zurück, welche diesen or-
ganischen Materien gemeinsam sind, und aus
diesem Grunde ist es nach so langer Zeit über-
aus schwer, auf die Ursprungsform der gefundenen
wachsähnlichen Materie des Bindemittels
zurückzuschliessen. Denken wir uns vergleichs-
weise ein antikes Mauerwerk, das nach Jahrhun-
derten ausgegraben wird, so haben wir auch nur
noch die Reste eines Gebäudes vor uns, von dem
zuerst die äusseren Schichten, dann der Unter-
grund und schliesslich der Mörtelputz bis auf die
Steine abgefallen sind. Es ist dann nur der blosse
Mauerstein übrig, aus dem kaum auf das Aus-
sehen des vollendeten Gebäudes geschlossen
werden könnte, es sei denn, dass andere Um-
stände zu weiteren Schlüssen einen Anhalt bieten.
Solche andere Umstände sind auch in
diesem Falle der Anlass zur Modifikation meiner
anfänglichen Ansicht. Herrn Büchner war es bei
seiner Untersuchung in erster Linie um Fest-
stellung des Bindemittels zu tun, und er fand,
dass in den aus den Bronzetiegeln entnom-
menen Farben nur äusserst geringe Mengen
von organischer Substanz vorhanden waren, wäh-
rend in den Farbenwürfelchen das Bindemittel
fast iO°/p der Masse betrug. Die Farben in den
Bronzetiegeln waren demnach nicht mit dem ver-
meintlichen Bindemittel versetzt, die Tiegel sind
also nicht als die Gefässe zu betrachten, aus
denen heraus der Maler mit den Pinseln
malte, (wie es wohl jeder als wahrscheinlich an-
genommen hätte); dagegen enthielten die Farben-
würfelcben soviel Bindemittel, dass nach so langer
Zeit des Oxydationsprozesses noch fast der zehnte
Teil der Farbenmasse als Bindemittel da-
von getrennt werden konnte.
 
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