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KONSTIECRHISCRE
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Mönchen, 6. Sepibr. 191$.

Beilage zar „Werkstatt der Kanst" (E. A. Seeataaa, Leipzig).
Erscheint !4täg!g anter Leitang von Maier Prof. Ernst Berger.

II. Jahfg. Nr. 23.

Inhalt: Die Mattechnik Franz v. Lenbachs. Vom Herausgeber. (4. Fortsetzung.) — Was sott der Künstler, der
Maler, von der Chemie wissen? Von Georg Büchner. (4. Fortsetzung.) — Farben und Farbstoffe. —
Maltechnische Anfragen.

Die Maltechnik Franz v. Lenbachs.
Vom Herausgeber. ^ Fortsetzung.)

Die künstliche Patina war damals Trumpf!
Als ich zum ersten Male die Treppe zu Lenbachs
Atelier emporstieg und an den Wänden wunder-
bare Marmor- und Bronzereliefs, deren Gegen-
stücke, wie mir in Erinnerung war, im Louvre
oder irgendwo in Venedig standen, hatte ich
eine Art Beklommenheit, denn ich sagte mir,
welche Schätze hat der Mann im Besitz, der
solche Werke erster Güte in seinem Vorraum
aufstellt. Viel später erfuhr ich, dass diese Dinge
nur ausgezeichnete Imitationen waren, allerdings
so vorzüglich gemacht, dass nur durch Abklopfen
mit einem Schlüssel den Gipsklang verraten und
der wahre Wert zum Vorschein kam. Lenbach
führte mich mit mehreren Bekannten in sein kurz
vorher fertiggestelltes Wohnhaus, das später
Bismarck bei seinem Münchener Besuch beher-
bergte; im unteren Vorraum hei mir eine schrei-
tende Artemis in Terrakotta auf, und ich bemerkte
ihm gegenüber, wo er denn ein so ausgezeich-
netes Meisterwerk archaistischer Kunst aufgetrieben
habe, das doch eine grosse Summe wert sein
müsse? Die Artemis war — getönter Gips. In
dem Prunkraum des I. Stockes, angefüllt mit
Kostbarkeiten früherer Zeit, war ein Parkettboden
in reichstem Muster und mit den besten Hölzern
eingelegt zu sehen und Laufteppiche waren ge-
legt, damit diese Pracht geschont bleibe. Rue-
dorffer sagte mir (lange nachher), er habe dieses
Parkett— mit Oelfarben auf Linoleum ausgeführt!
Ruedorffer war eben der Mann, der alles machte,
es war niemand in München, der wohl mehr von
Praxis der Maltechnik verstanden hat, der immer
bereit war und die geeigneten Mittel wusste, um
irgendeinen Gegenstand „alt" zu machen; er hat

diese Kunst der künstlichen Patina erfunden, er
verstand es meisterhaft und bis zur völligen
Täuschung (für das Auge!) eine Gipsbüste beliebig
in echten Marmor oder in glänzende Bronze oder
in eine Majolika ä la Luca della Robbia zu ver-
wandeln, mit Schellacklösungen und Bierfarbe,
durch Lackieren und Einpudern, durch Polieren
und Schleifen; er hat auch die grössten Plafonds
vergoldet, ohne eine Spur von Gold, und was
derlei Kunststücke mehr sind. Es war eine
merkwürdige Sucht, nur um dem Auge gefällig
zu sein, und der Gesamtwirkung zuliebe, um der
„zauberhaft" schönen Stimmung des Alters nahe-
zukommen. Für Gelegenheitsdekorationen wie
geschaffen, diente diese Manier aber auch bei
Werken, die als Meisterstücke ersten Ranges für
kommende Jahrhunderte bestimmt waren, wie
z. B. der Prunksaal im Künstlerhaus, der allgemein
als edelste Schöpfung und genialste Leistung
Lenbachscher Dekorationskunst gepriesen ist.
Glaubhaft wird versichert, dass er selbst jeden
Ton, jede Färbung angegeben und die Arbeit
kontrollierte. Hier ist alles — unecht, nur fürs
Auge „alt gemacht" hergerichtet, der wirklich
echte Marmorkamin ausgenommen; aber da dessen
Weisse die feinere Gesamtstimmung zu stören
drohte, wurde er einfach schwarz überstrichen!
Solcher Beispiele Hessen sich leicht noch viele
in buntester Folge anreihen. Der Triumph dieser
Täuschungskünste (der Wiener würde es mit
„Gschnas" bezeichnen) bildet der Saal für Münzen
und Medaillen im Nationalmuseum. In Gab. Seidls
herrlichstem Bauwerk, in dem die hervorragend-
sten Schätze deutscher Kultur in einer für alle
Zeiten mustergültigen Weise „Meinem Volk zu
 
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