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104

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 23..

Ehr und Vorbild" aufbewahrt sind, befindet sich
ein Saal, der es an Reichtum mit den besten
Renaissance-Räumen, etwa Danziger oder Lübecker
Ratsälen, aufnehmen könnte. Die Säulen und
Pilaster der Wandvertäfelungen sind aufs reichste
mit Elfenbeinintarsien geschmückt. Das macht
wohl einen herrlichen Effekt, und die Hülle passt
auch für den kostbaren Inhalt, die Münzensamm-
lung. Bei genauerem Hinsehen merkt der Be-
schauer aber, dass die Elfenbeinintarsien — nur
aufkaschierte Lithographien sind, die mit Schel-
lack bestrichen oder gehrnist wurden! Mein Er-
staunen darüber konnte ich nicht verhehlen, und
ich erhielt die Aufklärung, diese Dekoration sei
von Gedon erfunden, auf der Pariser Weltaus-
stellung 18/8 ausgeführt worden, und zur Er-
innerung an diesen trefflichen Künstler habe die-
selbe im Nationalmuseum wieder Verwendung
gefunden.
Als Höchstleistung der künstlichen Herstellung
von Altertümern gebührt sie auch in der Tat
der Nachwelt überliefert zu werden, wenn auch
nicht an diesem Platze, und wenn einmal jemand
eine Geschichte der Maltechnik des neunzehnten
Jahrhunderts behandeln will, dürfte er über diese
Zeit der „Patinierung" und der künstlichen Her-
stellung altmeisterlicher Effekte nicht hinweggehen.
Diese scheinbare Abschweifung von unserem
Thema hängt aber dennoch innig mit Lenbachs
Technik zusammen, denn in dieser verkörperte
sich die Kunst, alles mit dem Nimbus der Alter-
tümlichkeit zu umgeben, selbst auf Kosten der
Wahrheit und der Echtheit. Trotz der Hoch-
schätzung, die dem Wirken und den Werken des
Meisters gebührt, kann doch nicht verschwiegen
werden, dass er in diesem Punkte zuweit gegangen
ist und auf das Aeusserliche alter Werke schon
des Alters wegen mehr Wert legte, als ihm zu-
kommen dürfte. Mitunter kam er zu paradoxen
Aussprüchen: Als jemand ihm sagte, eine damals
neu aufgetauchte Methode sei unzuverlässig und
verursachte leicht Sprünge, entgegnete Lenbach,
das sei kein Fehler, alle guten alten Gemälde
hätten Sprünge! Bei anderem Anlass, als er mir
eine gehrniste Landschaftsskizze, die er mit
Gummi-Tempera überarbeitet hatte, zeigte, und
ich mir zu bemerken erlaubte, diese Uebermalung
müsse ja Sprünge bekommen (bei näherem Hin-
sehen war sie auch schon gesprungen!), meinte
er: „Dadurch wird das Bild ja erst wertvoll und
interessant." Ihm ging eben der Schein über
das Sein, und darin liegt auch ein grundsätzlicher
Unterschied, wie etwa Böcklin dem Problem der
Altmeistertechnik näherzukommen suchte, und wie
Lenbach es zu lösen glaubte. Böcklin ging der
Sache mit Zähigkeit nach, er begann mit der
Grundierung der Holztafeln und studierte die
Wirkung des weissen Kreidegrundes, die Einflüsse
der verschiedensten Bindemittel und ihre Beziehung

zum koloristischen Problem der Alten, er baute
also von unten auf; Lenbach blieb an der Ober-
fläche, er studierte nur die Epidermis der Bild-
schicht und begnügte sich damit, äusserlich die
Gleichheit der Erscheinung der alten Meister er-
reicht zu haben. Daher seine Patina-Manie.
Wenn das Auge nur befriedigt war, das übrige
bekümmerte ihn wenig. So interessierte er sich
kaum darum, wie die glänzend-glatte Oberfläche
pompejanischer Stuckmalereien im Altertum her- n
gestellt worden sein konnte. Er führte mich, als
ich ihm mitteilte, ich glaubte die Frage gelöst
zu haben, in die neben seinem Atelier befindliche
(übrigens entzückend lauschige) Muschelgrotte
und zeigte mir die künstlich auf Gips gemalten
und täuschend imitierten Mosaiken, die mit
Schellackhrnis und der so beliebten Bierfarbe
auch glänzende Oberflächen aufweisen. Also wozu
noch weiter forschen, wo man sich so leicht mit
Surrogaten behelfen kann!
Wie bei jeglichem Geschehen ein Beginnen,
ein Höhepunkt und ein endliches Abflauen zu
bemerken ist, so hatte auch die im vorigen ge-
schilderte Altmeisterzeit nach und nach ihre Be-
deutung verloren, sie war überdies von den
„Jungen" zum Anlass einer Gegenbewegung ge-
worden, die für Echtheit des Materials und für
„Neue Formen" an Stelle der Altertümelei eintrat.
Letzte Periode.
Lenbach war viel zu sehr Eklektiker, um das
Gute nicht dort zu suchen, wo er für sich Vor-
teile entspringen sah. Auch seine Technik war
aus einer Summe von Erfahrungen zusammen-
gefügt, die für seine Zwecke vollauf genügte,
denn mit der ihm eigenen Methode hatte er sich
auch seinen „Stil" geschaffen. Er blieb aber nicht
da stehen, sondern ist auf dem Wege zur Höhe
weitergeschritten. Sein Ausspruch: „Jeder sollte
über seiner Türe in goldenen Lettern schreiben:
Was kannst du, das kein anderer kann?", trifft
für ihn am besten zu. Sein Können bestand in
der grossartigen Meisterschaft im schnellen Er-
fassen der Persönlichkeit, in der Individualisierung
der Züge bis zur äussersten Möglichkeit; es waren
keine sog. „Charakterköpfe", die er schuf, sondern
in ihrem inneren Wesen erfasste Menschen, deren
Bewegung, Haltung, Blick (besonders im Blick!),
das leiseste Zucken der Lider oder des Mund-
winkels er ablauschte und mit Pinsel, Farbe oder
Stift wiederzugeben imstande war. Für dieses
ihm in besonders hohem Grade eigene Vermögen
musste er sich die geeignete Technik schaffen,
und er fand sie in der Schlichtheit der Mittel,
die auch Velasquez so sehr auszeichnete. Die krassen
Lichteffekte, die Lenbach dem Rembrandtschen
Helldunkel entlehnte, die grosse Pose Van Dyckscher
Fürstenporträts oder die Farbentiefe des Giorgione
und Tizian wichen jetzt einer einfachen Natür-
 
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