Nr. 5-
Münchner kunsttechnische Blätter.
seinen Augen und unter seiner Mitwirkung voll-
zogen hat. Man muss demnach annehmen, dass
in dem Werke des Meisters verschiedene
Methoden des technischen Aufbaues ein-
ander folgten. Giorgione und Palma waren
seine Weggenossen. Paolo Veronese, Tintoretto,
Bassano und andere seine Zeitgenossen. Sicher
ist, dass Tizian in seinen späteren Jahren die
Methode seiner ersten Arbeiten geändert hat und
aus der ursprünglich glatten Malweise des Bellini
endlich sich eine völlig freie Manier aneignete,
die auf das Zusammenwirken der breit und fleckig
aufgetragenen Farbentöne gegründet war.
Boschini beschreibt diese letzte Manier Tizians
mit Worten höchsten Lobes, im Vergleich zur
glatten naturalistischen Malweise (s. Wiegmann
a. a. O. S. 71).
„O, Flecken, die ihr glänzende Sterne der
Malerei seid,
Ihr macht eben das Kolorit natürlich!
Ich behaupte, dass ein gutes Kolorit Flecken
bedingt,
und zugleich sichtbare Behandlung,
und dass ohne beides nichts Tüchtiges ge-
malt werden kann.
Die Flecken entstehen aus der Behandlung,
Und die rechte Behandlung ergibt sich aus
der Theorie,
Wer diese richtigen Maximen sich aneignet,
Weiss, welches die einzige und wahre Malerei
ist."
Von den gleichen „Flecken" (ital. macchie)
spricht auch Vasari im Leben des Tizian, bei
Erwähnung einiger im Besitz des Königs von
Spanien befindlicher Spätwerke, die in hohem
Ansehen standen; sie wurden wegen ihrer grossen
Natürlichkeit bewundert: „Aber fürwahr, die bei
diesen letzten Bildern angewandte Methode war
von seiner früheren sehr verschieden. Während
die früheren mit einer gewissen Feinheit und mit
unglaublichem Fleisse ausgeführt sind und so-
wohl von der Nähe als von der Ferne betrachtet
werden können, sind die letzteren mit breit
hingesetzten Strichen und Flecken hervor-
gebracht (queste ultime condotte di colpi, tirate
via di grosso e con macchie), so dass man sie
von der Nähe nicht ansehen kann, wohl aber
von der Ferne aus betrachtet vollendet erscheinen.
Und diese so ausgeführte Art ist verständig,
schön und wunderbar, denn sie lässt die Bilder
wie lebendig, mit grosser Kunst und ohne Mühen
gemacht erscheinen."
Inwiefern diese fleckige Manier auch mit dem
Ausspruche collo sporcare si trova in Beziehung
gebracht werden kann, ist ungewiss, aber immer-
hin möglich, denn auch die „Flecken" werden auf
den unbestimmten dunklen Lasuren am besten
wirksam sein.
Wir haben im obigen versucht, die beiden
Aussprüche Tizians durch seine Lasurtechnik ver-
ständlich zu machen. Möglicherweise gibt es
noch eine andere Erklärung. Im Interesse der
Sache wäre es deshalb sehr erwünscht, wenn
Kollegen, die etwas von Altmeistertechnik ver-
stehen, sich bereitenden, eine bessere Erklärung
der beiden Aussprüche zu geben, als ich es im-
stande gewesen bin.
Oelgrundierung oder Leimgrundierung?
Von C. Hebing*)-
Es ist eine alte Streitfrage unter den Malern, ob
es statthaft sei, bei Anstrichen auf Holzgegenständen
mit Leimfarben zu grundieren, oder ob diese Grundie-
rungsart als Pfuscherei anzusehen und nur die Grun-
dierung mit Oel oder Oelfarben als allein solid und
reell zu bezeichnen sei. Wohl die meisten Kollegen
stehen auf dem Standpunkte, dass nur Oel- oder Oel-
farbgrundierung die sichere Gewähr für einen richtigen
Erfolg biete; sie wollen demgemäss von einer Leim-
oder Leimfarbengrundierung nichts wissen und ver-
dammen gleicherweise auch die seit ca. 15 — 20 Jahren
im Handel befindlichen Emulsions-Bindemittel, die ihrer
Natur nach auch vorzugsweise zu Grundstrichen be-
nutzt werden.
Wir sind die letzten, die die Vorteile einer Oel-
grundierung bestreiten, und es liegt uns auch nichts
ferner, als den Kollegen aus ihrer Ansicht und Ueber-
zeugung einen Vorwurf machen zu wollen. Trotzdem
aber muss geltend gemacht werden, dass es eine Ver-
kennung der Verhältnisse bedeutet, wenn man die Oel-
farbgrundierung als allein gut und solid hinstellt; man
soll auch die durch Erfolge belegte und auf langjähri-
gen Erfahrungen beruhende Ansicht und Ueberzeugung
anderer Kollegen achten und anerkennen, und man soll
vor allem nicht Sachen verurteilen, die man nicht kennt
oder, was noch ungerechter ist, nicht in richtigerWeise
versucht und erprobt hat.
Gerade das geschieht aber gar nicht selten. Man
ist das Arbeiten nach der Weise des Lehrmeisters ge-
wohnt und will von dieser Art nicht lassen. Kommt
etwas Neues, so ist man zu bequem, sich nach der
Gebrauchsanweisung und der Eigenart des Materials
zu richten, sondern verarbeitet es in der gleichen Weise
wie bisher das Alte. Stellen sich dann Fehlschläge
heraus, so ist natürlich das neue „Gelump" oder der
Fabrikant schuld. —
Jeder Grundanstrich bezweckt, die zu streichende
Fläche so zu präparieren, dass die folgenden Anstrich-
lagen gut darauf haften und dass im Ganzen eine innige
Verbindung des Anstriches (oder der Malerei, der
Lackierung, Spachtelung usw.) mit der darunterbe-
findlichen Grundfläche (Holz, Mauer usw.) hergestellt
wird. Mit anderen Worten: die Grundierung bildet die
Vorbereitung für alle folgenden Arbeiten. In vielen
Fällen ist in einer ungeeigneten Grundierung das Ver-
derben der ganzen Arbeit begründet, und man muss
*) Anmerkung. Wir bringen mit freundl. Er-
laubnis des Herrn Verfassers C. Hebing, Redakteur
der Deutschen Malerzeitung „Die Mappe", diesen Ar-
tikel zum Abdruck, weil er manche Winke für Grundie-
rungen enthält, die für die Kunstmalerei zu beherzigen
sind, und weil es für unsere Zwecke überhaupt wün-
schenswert ist, sich mit den Erfahrungen unserer Ge-
nossen vom Handwerk mehr zu befassen, als es bisher
meist geschieht.
Münchner kunsttechnische Blätter.
seinen Augen und unter seiner Mitwirkung voll-
zogen hat. Man muss demnach annehmen, dass
in dem Werke des Meisters verschiedene
Methoden des technischen Aufbaues ein-
ander folgten. Giorgione und Palma waren
seine Weggenossen. Paolo Veronese, Tintoretto,
Bassano und andere seine Zeitgenossen. Sicher
ist, dass Tizian in seinen späteren Jahren die
Methode seiner ersten Arbeiten geändert hat und
aus der ursprünglich glatten Malweise des Bellini
endlich sich eine völlig freie Manier aneignete,
die auf das Zusammenwirken der breit und fleckig
aufgetragenen Farbentöne gegründet war.
Boschini beschreibt diese letzte Manier Tizians
mit Worten höchsten Lobes, im Vergleich zur
glatten naturalistischen Malweise (s. Wiegmann
a. a. O. S. 71).
„O, Flecken, die ihr glänzende Sterne der
Malerei seid,
Ihr macht eben das Kolorit natürlich!
Ich behaupte, dass ein gutes Kolorit Flecken
bedingt,
und zugleich sichtbare Behandlung,
und dass ohne beides nichts Tüchtiges ge-
malt werden kann.
Die Flecken entstehen aus der Behandlung,
Und die rechte Behandlung ergibt sich aus
der Theorie,
Wer diese richtigen Maximen sich aneignet,
Weiss, welches die einzige und wahre Malerei
ist."
Von den gleichen „Flecken" (ital. macchie)
spricht auch Vasari im Leben des Tizian, bei
Erwähnung einiger im Besitz des Königs von
Spanien befindlicher Spätwerke, die in hohem
Ansehen standen; sie wurden wegen ihrer grossen
Natürlichkeit bewundert: „Aber fürwahr, die bei
diesen letzten Bildern angewandte Methode war
von seiner früheren sehr verschieden. Während
die früheren mit einer gewissen Feinheit und mit
unglaublichem Fleisse ausgeführt sind und so-
wohl von der Nähe als von der Ferne betrachtet
werden können, sind die letzteren mit breit
hingesetzten Strichen und Flecken hervor-
gebracht (queste ultime condotte di colpi, tirate
via di grosso e con macchie), so dass man sie
von der Nähe nicht ansehen kann, wohl aber
von der Ferne aus betrachtet vollendet erscheinen.
Und diese so ausgeführte Art ist verständig,
schön und wunderbar, denn sie lässt die Bilder
wie lebendig, mit grosser Kunst und ohne Mühen
gemacht erscheinen."
Inwiefern diese fleckige Manier auch mit dem
Ausspruche collo sporcare si trova in Beziehung
gebracht werden kann, ist ungewiss, aber immer-
hin möglich, denn auch die „Flecken" werden auf
den unbestimmten dunklen Lasuren am besten
wirksam sein.
Wir haben im obigen versucht, die beiden
Aussprüche Tizians durch seine Lasurtechnik ver-
ständlich zu machen. Möglicherweise gibt es
noch eine andere Erklärung. Im Interesse der
Sache wäre es deshalb sehr erwünscht, wenn
Kollegen, die etwas von Altmeistertechnik ver-
stehen, sich bereitenden, eine bessere Erklärung
der beiden Aussprüche zu geben, als ich es im-
stande gewesen bin.
Oelgrundierung oder Leimgrundierung?
Von C. Hebing*)-
Es ist eine alte Streitfrage unter den Malern, ob
es statthaft sei, bei Anstrichen auf Holzgegenständen
mit Leimfarben zu grundieren, oder ob diese Grundie-
rungsart als Pfuscherei anzusehen und nur die Grun-
dierung mit Oel oder Oelfarben als allein solid und
reell zu bezeichnen sei. Wohl die meisten Kollegen
stehen auf dem Standpunkte, dass nur Oel- oder Oel-
farbgrundierung die sichere Gewähr für einen richtigen
Erfolg biete; sie wollen demgemäss von einer Leim-
oder Leimfarbengrundierung nichts wissen und ver-
dammen gleicherweise auch die seit ca. 15 — 20 Jahren
im Handel befindlichen Emulsions-Bindemittel, die ihrer
Natur nach auch vorzugsweise zu Grundstrichen be-
nutzt werden.
Wir sind die letzten, die die Vorteile einer Oel-
grundierung bestreiten, und es liegt uns auch nichts
ferner, als den Kollegen aus ihrer Ansicht und Ueber-
zeugung einen Vorwurf machen zu wollen. Trotzdem
aber muss geltend gemacht werden, dass es eine Ver-
kennung der Verhältnisse bedeutet, wenn man die Oel-
farbgrundierung als allein gut und solid hinstellt; man
soll auch die durch Erfolge belegte und auf langjähri-
gen Erfahrungen beruhende Ansicht und Ueberzeugung
anderer Kollegen achten und anerkennen, und man soll
vor allem nicht Sachen verurteilen, die man nicht kennt
oder, was noch ungerechter ist, nicht in richtigerWeise
versucht und erprobt hat.
Gerade das geschieht aber gar nicht selten. Man
ist das Arbeiten nach der Weise des Lehrmeisters ge-
wohnt und will von dieser Art nicht lassen. Kommt
etwas Neues, so ist man zu bequem, sich nach der
Gebrauchsanweisung und der Eigenart des Materials
zu richten, sondern verarbeitet es in der gleichen Weise
wie bisher das Alte. Stellen sich dann Fehlschläge
heraus, so ist natürlich das neue „Gelump" oder der
Fabrikant schuld. —
Jeder Grundanstrich bezweckt, die zu streichende
Fläche so zu präparieren, dass die folgenden Anstrich-
lagen gut darauf haften und dass im Ganzen eine innige
Verbindung des Anstriches (oder der Malerei, der
Lackierung, Spachtelung usw.) mit der darunterbe-
findlichen Grundfläche (Holz, Mauer usw.) hergestellt
wird. Mit anderen Worten: die Grundierung bildet die
Vorbereitung für alle folgenden Arbeiten. In vielen
Fällen ist in einer ungeeigneten Grundierung das Ver-
derben der ganzen Arbeit begründet, und man muss
*) Anmerkung. Wir bringen mit freundl. Er-
laubnis des Herrn Verfassers C. Hebing, Redakteur
der Deutschen Malerzeitung „Die Mappe", diesen Ar-
tikel zum Abdruck, weil er manche Winke für Grundie-
rungen enthält, die für die Kunstmalerei zu beherzigen
sind, und weil es für unsere Zwecke überhaupt wün-
schenswert ist, sich mit den Erfahrungen unserer Ge-
nossen vom Handwerk mehr zu befassen, als es bisher
meist geschieht.