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22

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 6.

lyse der Farbenreste und einiger in Tongefässen
befindlichen Materien wurde die Gegenwart von
Wachs und Mischungen von Wachs mit Harzen
ais Bindemittel der Farben konstatiert*). Die
grosse Bedeutung dieses Fundes für die Frage
der antiken Enkaustik lässt sich daran ermessen,
dass es durch ihn, in Verbindung mit den
in Oberägypten zutage geförderten enkaustischen
Mumienbildnissen, erst möglich war, eine richtige,
d. h. der Wahrheit nahekommende Rekonstruktion
dieser Malweise zu schaffen, während man vorher,
auf wenige und schwer verständliche Schriftstellen
antiker Autoren gestützt, nur auf Vermutungen
angewiesen war.
Durch den Farbenfund von Herne-St. Hubert
ist die Frage nach dem Bindemittel, mit dem die
spätrömischen Maler gemalt haben dürften, wieder
lebhaft angeregt worden, und der glückliche
Finder, Herr Frangois Huybrigts, hat auch bald
darauf die schon oben erwähnten chemischen
Analysen an der Universität zu Lüttich machen
lassen. Unter den untersuchten Farben waren
Ockerarten (gelb, rot), Zinnober, Umbra, Schwarz
und Mischungen dieser Farben, dann Bleiweiss,
Indigo u. a., also die allgemein bekannten Pig-
mente der Alten. Aber das merkwürdigste ist
das Resultat der chemischen Analyse des
Bindemittels, welches ohne Zweifel durch den
Nachweis von hochoxydierten Fettsäuren auf ein
ursprünglich vorhandenes Oel als Farbenbinde-
mittel schliessen Hess. Die Analyse von Lüttich
konstatierte auch noch das Vorhandensein
von Harz.
Wachs als solches, das Chevreul in dem Funde
von St. Medard mit grosser Sicherheit und in
wenig verändertem Zustande nachgewiesen
hatte, konnte in den Farben von Herne-St. Hubert
nicht festgestellt werden, auch kein Alkali, das
auf ein verseiftes Wachs schliessen liesse. Wir
müssten demnach annehmen, dass der römische
Maler von Herne-St. Hubert eine Art von Oel-
oder Oel-Harzmalerei angewendet haben mag.
Die gegen einen so frühzeitigen Gebrauch
des Oeles als Bindemittel für Malerei erhobenen
Einwände, so auch, dass die Anwesenheit der
Oel- und Fettsäuren von anderen Bindemitteln,
z. B. von Ei (das Eieröl enthält), herrühren
könnten, wurden von chemischer Seite bestritten,
weil die Zersetzungsprodukte des Eies andere
Reaktionen gezeigt haben würden.
Nehmen wir vorerst die Richtigkeit der obigen
chemischen Analyse als feststehend an und ver-
gleichen wir die Objekte des Fundes von St. Me-
*) S. näheres über diesen Fund, derNachforschungen
zufolge gänzlich verschollen zu sein scheint, in meiner
erwähnten Maltechnik des Altertums, S. 211, nach der
Publikation von Benjamin Fillon (Description de la
Villa et du tombeau d'une femme artiste Gallo-Ro-
maine, decouverts äSt. M6dard-des-Pres,Fontenayi849).

dard mit denen des Fundes von Herne-St. Hubert,
so zeigt sich vor allem ein einschneidender Unter-
schied. Die Utensilien von St. Medard und die
von Herne-St. Hubert haben, die Marmorplatte
ausgenommen, gar keine Aehnlichkeit; den zwei
Pinselstielen dort steht eine ganze Reihe von
Pinseln hier gegenüber. Dass aber gerade alle
die auf eine spezifische Enkaustik (bei der
die Wachsfarben heissflüssig mit erwärmten In-
strumenten verwendet wurden) deutenden Uten-
silien von St. Medard (nämlich die zwei Kau-
terien, der Wärmapparat, der Mörser mit Ausguss,
Farbenbrocken in der Form der Gefässe oder
Conchae, Wachs in grösserer Menge u.,a.) hier
fehlen, das genügt, um auf eine andere Technik,
mindestens nicht auf die Kauterium-Technik frü-
herer Zeit schliessen zu lassen. Der Maler
(oder die Malerin) von St. Medard ist vermutlich
älterer Zeit angehörig als der Maler von Herne-
St. Hubert, denn des letzteren Technik zeigt ein
Stadium späterer Entwicklung nämlich, einUeber-
gangsstadium von der Enkaustik zur by-
zantinischen Oel- oder Oel-Harzmalerei.
Diesen Standpunkt hatten Hr. Huybrigts und
ich, als Referenten über die Frage der antiken
Maltechnik, eingenommen auf dem Congres histo-
rique et archeologique zu Tongres (August IQOl),
wo der Fund von Herne-St. Hubert Gegenstand
allergrössten Interesses war*).
(Fortsetzung folgt.)
Oelgrundierung oder Leimgrundierung?
Von C. Hebing.
(Fortsetzung.)
Nun sagen die Oelfreunde: das Oel dringt in den
Grund hinein, setzt sich also fest darauf, so dass es
nicht oder nur schwer wieder daraus zu entfernen ist,
und auf der Oelgrundierung haftet der folgende Auf-
trag, sei es wieder Oelfarbe, sei es Spachtelkitt oder
was sonst, so gut und so fest, dass sich eine einzige,
zusammenhängende und feste Schicht bildet.
Das ist freilich richtig und soll und kann auch
nicht bestritten oder geleugnet werden, aber — ist
denn das alles bei einer Leim- oder Emulsionsgrundie-
rung nicht der Fall?
Hier tritt alsbald eine weitere Frage auf, nämlich
die: Wie soll man mit Leim (um zunächst bei diesem
zu bleiben) grundieren?
In Betracht kommt hier als „Leim" nur der be-
kannte Tischlerleim (Kölner Leim). Dieser wird wie
üblich in Wasser eingeweicht bis er richtig aufgequollen
ist, dann über mässigem Feuer zur Lösung gebracht
und nach Bedarf verdünnt sowie mit etwas Farbe ver-
setzt. Für weisse Grundierungen ist Kreide gut, für
farbige nimmt man Kreide mit Ocker oder dergl.
Die Grundier-Leimlösung muss aber so stark sein,
dass sie in kaltem Zustande fest ist, nicht nur schwam-
mig = quabbelig, sondern richtig fest. Sie muss also
zum Gebrauch erwärmt werden und durch Einstellen
in ein Gefäss mit [heissem Wasser flüssig erhalten

*) S. den Bericht in Compte rendudu Congres
Archöologique et Historique de Belgique ä Tongres
190t, publiö par Fr. Huybrigts, Tongres 1902, S. 134 ff.
 
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