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88

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 19.

ständen des jetzigen Lenbach-Museums, das in
seinem ehemaligen Atelier eingerichtet ist, würde
sich kaum eine ähnliche Möglichkeit des Ver-
gleiches wie damals wiederhnden, zudem enthält
der reich illustrierte Katalog die Angaben der
Entstehungszeiten, wenn auch nicht vollständig
und überall genau, so doch in gewisser leichter
Uebersichtlichkeit angeordnet. Und da ich schon
damals die Absicht hatte, Lenbachs Technik,
wenigstens das mir während der letzten 2$ Jahre
seines Lebens aus eigener Anschauung und im
persönlichen Verkehr mit dem Meister bekannt
gewordene Material zusammenzufassen, habe ich
mir gleich vor den Originalen reichliche No-
tizen gemacht, die mir jetzt die besten Dienste
leisten.
Um von vornherein einzelne Zeitabschnitte
unterscheiden zu können, müssen wir bestimmte,
besonders hervortretende Wendepunkte seines
künstlerischen Schaffens verzeichnen. Sie sind
gegeben
1. durch .seinen Eintritt in die Schule Carl
v. Pilotys (i. J. i8$y) und seinen ersten
römischen Aufenthalt;
2. durch seinen Aufenthalt in Weimar und
die Freundschaft mit Arnold Böcklin, die, wie
es scheint, für ihn von grossem Einfluss ge-
wesen ist (von 1862—1873);
3. durch die Einflüsse des Kopierens nach
alten Meistern und seine Reisen in Italien
und Spanien mit und für den Grafen
Schack;
4. durch die Periode der sog. Gründerjahre,
die dem Meister zwar grosse Erfolge
brachte, dabei aber auch an seine Schaffens-
kraft ungeheure Ansprüche stellte;
$. durch die letzte und längste Zeit seines
Schaffens, die die reichsten Früchte zeitigte,
also die Zeit vom Anfang der achtziger
Jahre bis zu seinen letzten Werken (1904).
Diese Einteilung ergibt sich von selbst und
ganz folgerichtig, wenn man die Gedächtnisaus-
stellung von historisch-kritischen Gesichtspunkten
studiert hat und sie schliesst sich eng an den
äusseren künstlerischen Werdegang Lenbachs an.
I. Periode.
In der Zeit, während der Lenbach bei Piloty
arbeitete und vielleicht noch bis 1860 oder 1861
zeigt er in seiner Technik nichts, das ihn von
seinen Mitgenossen irgendwie unterschieden hätte.
Es ist die nämliche, ungemein sachlich gehaltene,
in den Einzelheiten liebevoll studierte Malerei,
die als „realistische", von Belgien ausgehend,
allerorten Schule gemacht hat. Als Hauptvertreter
galt damals der Brüsseler Gallait, und Pilotys

Verdienst war es, dieser Richtung in Deutschland
Geltung verschafft zu haben.
Von Lenbachs Gemälden dieser Zeit sind be-
sonders charakteristisch einige Studienköpfe in
ungemein realistischer Malweise, das Bild des
Magdeburger Museums „Landleute vor einem Ge-
witter flüchtend" (1838), der „Hirtenknabe"
(1859) bei Schack und das ganz auf Pilotys
Richtung gestimmte Bild „Der Titusbogen in
Rom" (1860). Nach meinen Notizen ist das letzte
Bild, auf Leinwand gemalt, trotz dicker Malschicht
in jeder Beziehung gut erhalten, auch andere Bil-
der der römischen Zeit (Römerkopf von 1838)
sind trotz dick aufgetragener Farbe in Licht und
im Schatten „ganz staunenswert erhalten", bei
einzelnen zeigen sich nur im Hintergrund jene
feinen Haarrisse, die bei Leinwandbildern oft be-
merkbar sind und die Folge von allzu rascher
Uebermalung nicht genügend getrockneter Unter-
schichten sind. Auf dem Bilde „Bauern vor dem
Gewitter flüchtend" ist die ungemein dick (mit
viel Weiss) gemalte, von der Sonne beschienene
Kapelle (rechts im Bild) und alles übrige im
Bilde „intakt", d. h. ohne jegliche Risse, mit Aus-
nahme einer kleinen Stelle am Kopf der knieen-
den Frau und in der dunkelgrauen Gewitterwolke.
Als Meisterwerke technischer Vollendung könnten
noch erwähnt werden der „Bauer mit Hut" (Ka-
talog der Gedächtnisausstellung Nr. 169) und
„Alter Bauer" (Nr. 192); hier wie bei etlichen
Studien gleicher Zeit ist nirgends mit Farbe ge-
spart und doch durchgehends die glänzende Er-
haltung, die ja auch Pilotys eigene Werke aus-
zeichnet. Das mag vielleicht darin seinen Grund
haben, dass erstens auf solides Arbeiten mit Oel-
farben gesehen wurde, d. h. dass nur auf gut
trockener Unterlage, und ohne viel Bindemittel
(Firnisse, „Malbutter" u. dgl.) mit Oelfarben ge-
malt wurde, und man zweitens jede Stelle mög-
lichst prima durcharbeitete, d. h. zeichnerisch und
farbig fertigstellte. Vielleicht kommt dieser Mal-
art auch die Konsistenz des Oelfarbenbreies zu-
statten, die damals von den Farbenfabriken unter
Zusatz geringer Quantitäten von Wachs im In-
teresse der besseren Lagerungsmöglichkeit ein-
geführt worden ist. Den Düsseldorfer Farben
hatte man damals den Vorzug gegeben; und der
„belgischen" Leinwand, über deren besondere
Eigenschaften und ihre Herstellungsweise mir
freilich nichts näheres bekannt ist. Sicher ist,
dass für die umfangreichen Bilder Pilotys (z. B.
„Seni vor Wallenstein", „Thusnelda" u. a.), eben-
so für Makarts grossformatige Schaustücke die
belgische Leinwand in Frage kam, weil nur dort
so breite Webstühle vorhanden waren. Grundiert
wurden derartige bis zu 4 und 3 m breite Lein-
wände in Düsseldorf, und von dort bezog sie
der Malmaterialienhändler in München, Wien usw.
(Fortsetzung iolgt.)
 
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