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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0121

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Kapitel 8. Ein ethnoarchäologisches Modell zum Bezug
zwischen Hausform und Familienform

Im rezenten Kontext sind in der Gazlra unterschiedliche
Familienformen zu beobachten. Die drei häufigsten
sind: a) einzeln wohnende Kernfamilien, die aus einem
verheirateten Paar mit ihren unverheirateten Kindern
bestehen und eventuell um einzelne, im Haus lebende
Personen (Großeltern) erweitert sein können, b) Erwei-
terte Familien, die aus mehreren Kernfamilien zusam-
mengesetzt sein können und c) polygame Familien, in
denen zwei oder mehr Ehefrauen in einem Haushalt zu-
sammen leben. Im folgenden soll exemplarisch ver-
anschaulicht werden, wie sich diese Familienformen an
Hand der ethnographisch belegten Hausformen der
Gazira unterscheiden lassen.

Ethnographische Gruppe A:

Häuser von Kernfamilien

Aus ethnoarchäologischen Untersuchungen zur Lehm-
architektur des Vorderen Orient ist erkennbar, daß eine

Kernfamilie im allgemeinen einen Wohnraum besitzt, zu
dem eine unterschiedliche Zahl von Nebenräumen mit
jeweils spezifischen Funktionen kommen kann (s. Kap.
4.4.: Konzept 4.). Dieses Prinzip läßt sich auch in den
ethnographisch dokumentierten Häusern der Gazira
finden. Ein nordsyrisches Kuppelhaus kann in seiner
kleinsten Ausführung nur aus einem Raum bestehen,
der als Wohnraum einer Kernfamilie dient. Dies wird
an einem Beispiel aus dem Dorf Müqa verdeutlicht
(Abb. 51). Der 4 x 4 m große Raum ist der Wohnraum
einer Kernfamilie. Er enthält einen mit einer Strohmatte
unterlegten Sitzbereich (A) und eine Herdstelle (B) und
dient zusätzlich zur Vorratshaltung und selbst zum gele-
gentlichen Unterstellen der Tiere (Aljundi 1984, 47,
Plan 4). Dieser Raum ist als «Kernraum» zu bezeich-
nen. Einräumige, nur aus einem «Kernraum» beste-
hende Wohnhäuser von Kernfamilien sind auch im
neuen Ort Habüba Kablra (Ghirardelli 1985, 8, Fig. 2;
Nippa 1991, 96 ff. Abb. 47) und in den Häusern von
angesiedelten Nomaden in der irakischen Gazlra (Al-
Kasab 1966, 62) belegt.

Abb. 51 Wohnraum einer Kernfamilie in einem Kuppelhaus (Müqa, Syrien)

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