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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0409

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Kapitel 16. Wohlstandsunterschiede in der
nordmesopotamischen Gesellschaft des 3. Jtsds. v. Chr.

Die Reichtumsdifferenzierung von Haushalten an Hand
mobiler Objekte stößt auf das prinzipielle methodische
Problem, daß die Menge der Funde von wertvollen
Objekten in einem Haus, selbst wenn sie nachweislich
in einem primärem archäologischen Kontext gefunden
werden, nicht unmittelbar den ehemaligen Besitz des
Haushaltes kennzeichnet, sondern in erster Linie durch
die spezifischen Ablagerungsursachen und die Ablage-
rungsart bestimmt ist (s. Kap. 5). Der Versuch, den
Wohlstand von Haushalten an der Menge der in den
Häusern gefundenen Metallgegenstände zu bemessen,
resultierte in der Erkenntnis, daß die untersuchten
Haushalte generell sehr wenig Metallobjekte besaßen
und dieser Umstand wahrscheinlich auf geringe Wohl-
standsunterschiede zwischen den Haushalten hinweist
(s. Kap. 12.3: C IX). Häuser mit einer größeren
Menge von Metallfunden sind in den meisten Fällen
als metallverarbeitende Haushalte zu bestimmen. Auch
die Verteilung der Schmuckfunde in den Häusern
läßt keine deutlichen Wohlstandsunterschiede zwischen
den untersuchten Haushalten erkennen (s. Kap. 12.3:
C X).

Ein weiterer theoretischer Wohlstands-Indikator für
Haushalte kann die Menge an Metallischer Ware in
einem Haus sein, da es sich nachweislich in den meisten
Siedlungen um ein Importgut handelt (s. Kap. 12.2:
B IVb.c). Ein Vergleich zwischen den einzelnen Häusern
von Tall Bderi kommt zu dem Ergebnis, daß sich Metal-
lische Ware - soweit sie in einem primärem Kontext ge-
funden wurde - auf zwei (von 14) Häusern konzen-
triert. Es handelt sich um die Häuser III und XVII
(ebenda). Im Fall des Hauses III ist das auffällige Vor-
kommen von Metallischer Ware damit zu erklären, daß
der Haushalt neben der Veräußerung eigener Töpfer-
erzeugnisse auch Metallische Ware verhandelt haben
könnte. Bei Haus XVII sprechen die hohen Anteile von
Metallischer Ware an den Mindestgefäßzahlen (bis zu
9%/Raum; s. Tabelle 66-67) für einen relativ wohl-
habenden Haushalt.

Am deutlichsten äußern sich Wohlstandsunterschiede
in den unterschiedlichen Gassenfrontbreiten der Parzel-
lenhäuser. Da die Frontbreiten bei der Vergabe von
Grundstücken festgelegt werden, muß die Wahl eines
bestimmten Standardmaßes vom relativen Wohlstand
des Haushaltes abhängen. In Tall Chuera läßt sich be-
obachten, daß die Haushalte des Siedlungsbereiches H,

die Parzellenhäuser von 8, 9 und 15 m Breite bewohnen,
(zu Beginn ihres lokalen Entwicklungszyklus) im allge-
meinen wohlhabender gewesen sein müssen als die
Haushalte im Bereich K, die Häuser mit einer Gassen-
frontbreite von 6 und 7,5 m bewohnen. Dadurch ist das
Siedlungsviertel H am südöstlichen Rand der Oberstadt
gegenüber dem Bereich des sog. «Kleinen Antentem-
pels» als wohlhabenderes Stadtviertel ausgewiesen. Im
Bereich K zeichnet sich der Weststreifen durch breitere
Parzellengrundstücke (7,5 m) als wohlhabender als der
Oststreifen aus. Innerhalb des Siedlungsbereiches H las-
sen die beiden deutlich voneinander abweichenden Gas-
senfrontbreiten von 9 und 15 m auf merkliche Wohl-
standsunterschiede sogar unter den Bewohnern eines
Straßenzuges schließen (s. Kap. 13.14).

Auch in Tall Täya verweisen abweichende Gassen-
frontbreiten der Parzellenhäuser auf Wohlstandsunter-
schiede zwischen den Haushalten einzelner Stadtviertel.
An Hand dieses Beispieles wurde versucht, die Entste-
hung der Wohlstandsunterschiede durch die Siedlungs-
entwicklung und die Wohntradition der Haushalte zu
erklären (s. Kap. 13.13).

Ein weiteres Indiz zur Reichtumsdifferenzierung bie-
tet die bauliche Entwicklung von Häusern. Auch in die-
ser Hinsicht liefern die Hausbefunde von Tall Chuera
aufschlußreiche Hinweise. Im Siedlungsbereich H wer-
den die Häuser H I und H III, die in ihrem Ursprungs-
plan Gassenfrontbreiten von 9 und 15 m aufwiesen, auf
benachbarte Grundstücke ausgedehnt. Für den Erwerb
von Räumen benachbarter Häuser ist ein steigender
Wohlstand der betreffenden Haushalte vorauszusetzen.
Im Gegenzug läßt das Haus H II durch die Abtretung
von Räumen einen schwindenden Wohlstand seiner Be-
wohner erkennen, obwohl dieser Haushalt zu Beginn
seiner lokalen Entwicklung ein Parzellengrundstück der
größten in Tall Chuera nachweisbaren Standardbreite
(15 m) bezogen hat (s. Kap. 13.14).

Im zentralen Stadtviertel von Tall Selenkahlye lassen
die Häuser 3 A/B und 3 C/D sowie das Haus 7 durch die
Übernahme benachbarter Grundstücke jeweils einen er-
heblichen Wohlstandszuwachs im Lauf ihrer lokalen
Wohntradition erkennen. Auch in diesen Fällen ist eine
wirtschaftliche Selbständigkeit und eine progressive
ökonomische Entwicklung der betreffenden Haushalte
als Ursache der räumlichen Expansion anzunehmen (s.
Kap. 13.17).

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