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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0420

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Kapitel 20. Der Hauskult

Die deutlichsten Anzeichen für kultische Aktivitäten in
den Häusern des 3. Jtsds. in Nordmesopotamien ver-
weisen auf den Ahnenkult (s. Kap. 12.1: A VII). Mög-
licherweise besaß er eine kontinuierliche Tradition in
Nordmesopotamien, da er im 2. Jtsd. vor allem in Emar
und Nuzi eine große Bedeutung hatte (van der Toorn
1990; 1994; 1995; 1996). Im 3. Jtsd. lassen sich erheb-
liche Unterschiede in den materiellen Kennzeichen des
Ahnenkultes von Ort zu Ort beobachten. Seine sichtbar-
ste Ausprägung hat er in Form der Altarpostamente in
den Kernräumen der Parzellenhäuser von Tall Chuera
erhalten (s. Kap. 12.1: A VII). Damit in Zusammenhang
könnten die Beterstatuetten (s. Kap. 12.3: C Xlb) und
die vermutliche Ahnenkultstätte (sog. «Kleiner Anten-
tempel») (s. Kap. 13.14) am selben Ort gestanden
haben.

Ahnenkulte haben generell eine wichtige soziale
Funktion für einen Haushalt, da sie den Zusammenhalt
und die Kontinuität einer Familie und einer Abstam-
mungslinie symbolisch stärken (Fortes 1970, 190; van
der Toorn, 1995). Daneben liegt die sozio-ökonomische
Bedeutung des Ahnenkultes in der Bewahrung des Besit-
zes und Wohlstandes einer Familie durch die Stärkung
der Autorität des mit dem Ahnenkult beauftragten

Familienoberhauptes (ebenda 180. 187f.; van der
Toorn, 1995).

Die große Bedeutung, die der Ahnenkult offensicht-
lich für die Haushalte von Tall Chuera hatte, läßt sich
möglicherweise mit dessen sozialer Funktion erklären.
Die lange Siedlungstradition des Ortes (vgl. Orthmann
1986) muß zur Anwesenheit vieler alteingesessener
Haushalte geführt haben. Mit der Siedlungskontinuität
steigt die Bedeutung des Ahnenkultes, um den Familien-
besitzstand zu sichern und eine Fragmentierung des
Haushaltes zu verhindern. Für die von Fragmentierung
betroffenen Familien bietet der Ahnenkult die Möglich-
keit, den sozialen Kontakt mit einer Abstammungslinie
und die Eingebundenheit in diese zu bewahren. Dies
wird am Beispiel der Ahnenkultstätte der Häuser K Ia
und K Ib (sog. «Kleiner Antentempel») in Tall Chuera
besonders deutlich. Es könnte sich um eine gemeinsame
Ahnenkultstätte der Abstammungslinie des seit langer
Zeit (vor Schicht 5) in diesem Stadtviertel ansässigen
Haushaltes K I gehandelt haben. Dieser Haushalt war
offensichtlich stark von einer sozialen Fragmentierung
betroffen und könnte auf diese Weise die soziale Identi-
tät und Kontinuität der Abstammungsgruppe zu sichern
versucht haben (s. Kap. 13.14).

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