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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0306

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Kapitel 13. Die Hausformen und Hauskonzepte

13.1. Mari

Das «Maison Rouge»

(Taf. 23)

Dieses Haus besitzt eine quadratische Außenform (ca.
11x11 m, = 120 m 2) und einen sehr regelmäßigen
Grundriß (Parrot 1955, 194-202, Fig. 194; 1967,
293, Fig. 310). Zwei parallel verlaufende Innenmauer-
züge gliedern den Grundriß in drei Raumreihen. Die
erste Raumreihe besteht aus einem langgezogenen
Raum (1), der vom Ausgräber (1955, 196) als Küche
angesprochen wurde. Wegen mangelnder Angaben zu
den hier festgestellten Installationen, kann diese Deu-
tung nicht überprüft werden. Da in Raum 1 der Haus-
eingang, die Treppe zum Obergeschoß (s. Kap. 11.7)
und der Durchgang zum Hauptraum (s. u.) liegt, ist
er in erster Linie als Verteilerraum anzusprechen. An
den Raum 1 schließt sich in der nördlichen Verlän-
gerung ein kleiner, gepflasterter Raum (2) an, der
einen Ausfluß zur angrenzenden Gasse besitzt (ebenda
197). Es könnte sich um einen Sanitärraum gehandelt
haben.

In der zweiten Raumreihe liegt der große Raum 3 (ca.
4x5 m). Der Zugang zu diesem Raum erfolgte über den
Raum 1 in einer zweifach abknickenden Achse. Er ist
nicht als Mittelhof, sondern als geschlossener Raum
aufzufassen (s. Kap. 11.8). Da er entlang den Wänden
mit Bänken ausgestattet war (ebenda 197), könnte er
als Hauptraum oder Empfangsraum des Hauses gedient
haben. Die Räume 4, 5 und 6 sind nur von diesem Zen-
tralraum aus zu erreichen. Das in diesem Haus reprä-
sentierte Hauskonzept ist als « Zentralraumhaus » zu be-
zeichnen. Die endgültige Raumanordnung wurde nach
Auskunft der regelmäßigen Mauerverläufe bereits im
Ursprungsplan des Hauses festgelegt und nachträglich
offensichtlich nicht verändert.

Auf Grund der Treppe in Raum 1 und anderer Indi-
zien ist davon auszugehen, daß das Haus ein oberes
Stockwerk besaß (s. Kap. 11.7). Über die Raumfunk-
tionen und Raumanordnungen in der oberen Etage las-
sen sich keine Angaben machen. Alternativ zu den Re-
konstruktionsvorschlägen von Margueron (1996) wäre
auch vorstellbar, daß über dem Zentralbereich im Ober-
geschoß ein Innenhof lag (s. Kap. 11.8).

Die Funde aus dem «Maison Rouge», ein sog.
«Hausmodell» (s. Kap. 12.3: C XIc) und eine Statuette
des Typs «Widderträger» (Parrot 1955, 197, Fig. 8) las-
sen an die Ausübung eines Hauskultes denken. Der
Fund dreier Tontafeln in diesem Haus stellt eine Beson-
derheit dar 271). In den Wohnhäusern der anderen Orte
des 3. Jtsds. in Nordmesopotamien wurden keine ent-
sprechenden Schriftzeugnisse gefunden (s. u.). Bei den
Texten handelt es sich um Wirtschaftstexte über Ab-
rechnungen von Gerste. Der Haushalt war also mit der
bürokratischen Verwaltung landwirtschaftlicher Pro-
dukte beschäftigt.

Ein Haus östlich des Istar-Tempels

(Taf. 23)

Im Nordostbereich des Siedlungsviertels liegt ein voll-
ständig freigelegtes Haus, das im Süden und Nord-
westen jeweils von einer Gasse begrenzt wird (Parrot
1936, Fig. 9; 1956, Pl. IX). Auf Grund des schrägen
Verlaufes der Gassen besitzt das Haus eine trapezoide
Außenform. Mit Ausmaßen von max. 13 x 14,5 m und
einer Grundfläche von ca. 140 m 2 ist das Haus etwas
größer als das «Maison Rouge». Die Raumanordnung
zeigt aber auffällige Parallelen. Der Hauseingang führt
in einen Langraum 1, an den in seiner Verlängerung ein
kleiner Raum (2) angeschlossen ist. Der Raum 2 besitzt
einen Ausfluß zur angrenzenden Gasse (ders. 1956, Pl.
IX) und könnte, wie im Beispiel des «Maison Rouge»
(s. o.), ein Sanitärraum gewesen sein.

Der Zugang in den Mittelraum 3 erfolgt über eine in
Raum 1 zweifach abknickende Achse. Dieser Raum 3 ist
nicht als Mittelhof, sondern als überdachter Raum zu re-
konstruieren (s. Kap. 11.8). Mit einer Größe von 5 x 5 m
könnte es der Hauptraum oder Empfangsraum des
Hauses gewesen sein. Über seine Ausstattung liegen in
diesem Fall keine Angaben vor. Vom Zentralraum waren
die auf drei Seiten anschließenden Räume 4 bis 10 er-
reichbar. Es handelt sich bei diesem Haus ebenfalls um

271) Da das Haus durch Feuer zerstört wurde (Parrot 1955, 195 f.),
kann man davon ausgehen, daß die Tontafeln zum ursprünglichen
Inventar gehörten.

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