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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0253

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Die Anbindung der im Bogen verlaufenden Hof-
mauer an die Räume 311 und 315 des Hauses B VI
belegt die architektonische Zugehörigkeit der vermut-
lichen Schmiedewerkstatt zu diesem Haus. Es handelte
sich folglich um ein häuslich betriebenes Handwerk.

C VI: Töpferei

C VI a: Töpferton

Den deutlichsten Hinweis auf die Ausübung des Töpfer-
handwerks in einem Haus liefert der Fund von Töpfer-
ton, d. h. geschlemmtem Lehm, der als Rohstoff für
diese Aktivität dient.

TALL BDERI:

Nur in einem einzigen Haus von Tall Bderi, dem
Haus III (Raum X, Phase 9cl), fand sich ein Klumpen
Töpferton. Neben anderen Indizien - Töpfertonwülsten
(s. u.) und handgeformter, gebrannter und ungebrannter
Keramik von jeweils demselben Formtyp (s. Kap 12.2:
B Va und Kap. 12.3: C VIc) - belegt dieser Fund die
Aktivität des Töpferns in Haus III. Bei dem für die
Lokalisierung dieser Aktivität in Frage kommenden
Raum X handelt es sich um denselben Raum, der zu-
sammen mit dem Nachbarraum AE den Nachweis einer
Aktivitätszone der Metallverarbeitung in Haus III er-
brachte (Taf. 10). Schmieden und Töpfern wurden in
Haus III folglich parallel und in denselben Werk-
statträumen ausgeführt.

TALL CHUERA:

In Tall Chuera fand sich eine umfangreiche Menge von
Töpferton im großen Hof des Hauses K XI in der Gra-
bungsstelle «Kleiner Antentempel» (Taf. 64). Der Fund
ist der «oberen» Schicht (4) der Westerweiterung zuzu-
rechnen. Der größere von zwei Haufen von Töpferton
im Nordteil des Hofes nahm eine Grundfläche von 3 m 2
ein und stand bis zu 60 cm hoch an (Moortgat - Moort-
gat-Correns 1978, 42, Anm. 48, Abb. 1). Dies spricht
dafür, daß der Haushalt des Hauses K XI auf der Hof-
fläche Aktivitäten in Verbindung mit Töpferlehm
durchführte.

Im Bereich des Hauses, vor allem in den Räumen 50
und 54, fanden sich ungewöhnlich große Mengen von
Objekten aus ungebranntem Ton, die aus dem vorhan-
denen Rohmaterial hergestellt worden sein könnten:
Lehmstöpsel, Lehmdeckel und flache, rechteckige Ge-
genstände aus ungebranntem Ton (Moortgat - Moort-
gat-Correns 1976, 22. 26). Bei letzteren könnte es sich
um vorbereitete Rohlinge, sog. Nuklei (vgl. Dohmann-
Pfälzner, im Druck) aus geschlämmtem, feuchtem Lehm

handeln, aus denen bei Bedarf Stöpsel, Tondeckel oder
Verschlüsse geformt werden konnten (s. u.).

Ferner fanden sich im Bereich der Räume 56 und 65
zahlreiche Terrakotten - einige gebrannt, die meisten
ungebrannt. Vor allem die ungebrannten Stücke weisen
in ihrer ungewöhnlich großen Menge darauf hin, daß
die Objekte hier hergestellt wurden (s. Kap. 12.3:
C Xla; vgl. Moortgat - Moortgat-Correns 1976, 22,
Abb. 8).

In den Räumen 50 und 54 fanden sich zudem sehr
viele Fragmente von Wannen und Schüsseln mit Griff-
knubben, die (einem entsprechenden Beispiel aus Hof 61
zufolge) handgemacht sind (ebenda 26, Abb. 10). Sie
dürften Erzeugnisse einer hier angesiedelten, häuslichen
Keramikproduktion gewesen sein (s. Kap. 12.2: B Va).
Der Haushalt K XI («obere» Schicht) scheint also eine
Haushaltsproduktion von Wannen und Schüsseln, Dek-
keln und Stöpseln sowie Tonfigurinen und anderen aus
Töpferton herstellbaren Gegenständen betrieben zu ha-
ben 214).

Das fast vollständig ausgegrabene Haus besitzt kei-
nen eigenen Brennofen, in dem die hier hergestellten Ge-
fäße und Terrakotten hätten gebrannt werden können
(vgl. Moortgat - Moortgat-Correns 1978, Abb. 1, in
Verb. mit Moortgat-Correns 1988a, Abb. 17). Es ist
deshalb anzunehmen, daß der Brand außerhalb des
Hauses erfolgte. Wie das Beispiel des großen Hofes im
«Töpferviertel» zeigt (Taf. 65. 67; Moortgat - Moort-
gat-Correns 1978, 58 ff.), befanden sich auf freien Flä-
chen innerhalb der Siedlung Keramikbrennöfen. Mög-
licherweise handelte es sich um kommunale oder ge-
meinschaftlich betriebene Öfen. Gefäße und andere
Tonerzeugnisse (Figurinen) könnten folglich in Haus-
haltsproduktion hergestellt, aber in gemeinschaftlichen
Öfen oder Brennvorgängen gebrannt worden sein.

Einen Hinweis auf diese Praxis in Tall Chuera geben
die an der Innen- oder Außenseite von Gefäßrändern
häufig angebrachten Marken aus Kreisen, Ritzlinien
oder Fingernageleindrücken (Moortgat - Moortgat-
Correns 1978, 34; Moortgat-Correns 1988a, 72, Abb.
lOa-e). Solche Stücke kamen in einer auffälligen Kon-
zentration im Bereich der Westerweiterung der Gra-
bungsstelle «Kleiner Antentempel» zu Tage. Die Aus-
gräber schlugen eine Deutung als Zahlzeichen vor, was
der befragte Philologe W. Röllig aber nur teilweise und
unter Vorbehalt bestätigen wollte (Moorgat - Moort-

lu) Ob die 484 Tonverschlüsse, die im Bereich des «großen Hofes»
von Haus K XI gefunden wurden (Moortgat - Moortgat-Correns
1978, 18-33, Abb. 1-13; Moortgat-Correns 1988a, 11-28), eben-
falls zu den Erzeugnissen dieser Haushaltsproduktion gehören, ist
fraglich. Zwar handelt es sich um dasselbe Rohmaterial, doch weist
die Fundlage der Stücke auf eine zeitlich spätere Ablagerung hin (s.
Kap. 12.3.: C VIII b).

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