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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0320

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Zusammenfassung Haus XIV:

Subsistenz und Entwicklungszyklus des Hausbaltes

Der Haushalt besitzt zwei wirtschaftliche Grundlagen:
den Ackerbau, der unter anderem durch mehrere Ernte-
messer-/Sicheleinsätze (s. Kap. 12.3: C Illa) sowie eine
Primärproduktion von Sicheleinsätzen (s. Kap. 12.3:
C Illd) belegt ist, und die Viehhaltung, die durch Stroh-
vorräte (s. Kap. 12.4: D IVa), einen Stall für Schafe/
Ziegen (s. Kap. 12.4: D IVb.c) und eine umfangreiche
Bevorratung von Fleisch (s. Kap. 12.5: E I b) nachweis-
bar ist. Zur Ausübung dieser Aktivitäten hat der Haus-
halt den Wohnort temporär verlassen (s. Kap. 12.1:
A VIII). Davon zeugen die Zusetzung der Eingangstür
und der Tür zu Raum CM sowie die passiven Nutzungs-
inventare, die auf eine Zerstörung des Hauses während
der Abwesenheit seiner Bewohner zurückgehen. Wäh-
rend der Anwesenheit des Haushaltes konnte Ackerbau
im Habürtal betrieben werden, zum Weiden der Schaf/
Ziegenherde verließ der gesamte Haushalt das Haus für
eine bestimmte Periode des Jahres (s. Kap. 7.2).

Der Haushalt war über einen langen Zeitraum an die-
ser Stelle wohnhaft. Er bestand in der Ursprungsphase
des Hauses aus einer kleineren, geschlossenen sozialen
Einheit (Familie bzw. Kernfamilie), die einen Kernraum
innerhalb eines Hofgrundstückes bewohnte. Im Lauf
der Nutzung des Hauses scheint sich diese soziale Ein-
heit nicht grundlegend verändert zu haben, da der Kern-
raum bis in den Endplan nahezu unverändert als sozia-
les Zentrum des Hauses bestehen blieb. Die Untergliede-
rung des Grundstückes in mehrere Räume, darunter
einen eigenständigen Trakt im Westen des Kernraumes,
bestehend aus Stall (DL), Mahlraum (DB) und Vorrats-
raum (DK), ist nicht als Folge einer sozialen Differenzie-
rung zu sehen, da diese Räume funktional eindeutig
dem Kernraum CM zugeordnet sind. Sie spiegeln eine
Verfeinerung der räumlichen Organisation und mög-
licherweise eine Erweiterung der Aktivitäten des Haus-
haltes wider und könnten allenfalls einer allmählichen,
biologisch bedingten Vergrößerung der einheitlichen
familiären Gruppe des Haushaltes entsprechen.

Haus XVII

Nutzungsphase 17 (Taf. 21, Tabelle 66-67)

Auch im Fall des Hauses XVII konnte nur der Endplan
freigelegt werden. Das Haus ist von der nördlichen
Gasse durch einen Eingangskorridor DD zugänglich,
der eine Entwässerungsrinne besitzt. Er führt in den Hof
FS, der mit einem tannür ausgestattet und möglicher-
weise partiell überdeckt war, da in der Hofmitte ein
Standplatz für eine Dachstütze (s. Kap. 12.1: A Xa) vor-
handen ist. Vom Hof aus erreicht man den kleinen, zer-

störten Raum FR, dessen Funktion nicht mehr rekon-
struierbar ist und dahinter den ebenfalls kleinen Raum
FM von nur 2,7 m 2 Größe, der als Vorratsraum diente.
Sein aktives Nutzungsinventar enthielt 47 Gefäße, die
meisten davon Vorratsgefäße (s. Kap. 12.2: B Ilb.d.e)
sowie zahlreiche Gipsscheiben (s. Kap. 12.3: C Ila) zur
Abdeckung von Gefäßen und viele Gips-Gefäßver-
schlüsse (s. Kap. 12.3: C VHIe). Diese Funde deuten
auf Vorratshaltung als vorrangige Aktivität dieses Rau-
mes. Wie die Standplätze für Gefäße (s. Kap. 12.1:
A Illf) und die Lage des Keramikversturzes anzeigen,
waren die Vorratsgefäße in diesem Raum in Form von
mindestens drei Stapeln aufeinander gestellt.

Der anschließende Kernraum FL war nur über den
Vorratsraum FM aus zu erreichen. Er beherbergte eine
Vielzahl von unterschiedlichen Funktionen, darunter
Heizen und Familienzusammenkunft, Nahrungszube-
reitung, Kochen, Backen (bei schlechtem Wetter) (s.
Kap. 12.1: A Ila), Textilverarbeitung (s. Kap. 12.3:
C IVa.c) und Vorratshaltung. Der Kernraum ist also
auch bei Haus XVII das eindeutige soziale und organi-
satorische Zentrum des Hauses.

Im ursprünglichen (nicht ausgegrabenen) Plan des
Hauses scheinen die Räume FR und FM noch nicht vor-
handen gewesen zu sein, da sie nachträglich und ohne
Verband an den Kernraum FL angesetzt wurden. Das
Haus bestand anfangs nur aus dem Kernraum und
wahrscheinlich dem parallel dazu gelegenen Eingangs-
korridor. Die restliche Fläche des rechteckigen Grund-
stückes dürfte von einem Hof eingenommen worden
sein (Taf. 21). Für Haus XVII läßt sich folglich eine
bauliche Entwicklung entsprechend der des Hauses XIV
rekonstruieren. Das Haus ist ebenfalls dem Konzept der
«Parzellenhäuser» zuzuordnen (s. Kap. 14). Die Breite
der Parzelle beträgt (bis zur Mitte der Doppelmauer
zum östlich angrenzenden Haus) 6,30 m. Dies ent-
spricht genau der Parzellenbreite des Hauses XIV (s. o.).
Auch die Tiefe der Parzelle von der Gasse aus (6,60 m)
stimmt mit dem Haus XIV überein. Es handelt sich auch
bei Haus XVII um ein annähernd quadratisches Grund-
stück. Auffälligerweise war auch hier der Kernraum FL
mit importierten Eichenholzbalken gedeckt (s. Kap.
12.4: D I).

Zusammenfassung Haus XVII:

Subsistenz und Entwicklungszyklus des Haushaltes

Die Funde von Erntemesser-/Sicheleinsätzen (s. Kap.
12.3: C Illa) in Haus XVII deuten auf landwirtschaft-
liche Aktivitäten des Haushaltes. Für landwirtschaft-
liche Produkte standen umfangreiche Lagerkapazitäten
zur Verfügung, darunter 103 Keramikgefäße, von denen
die meisten Vorratsgefäße waren.

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