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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0347

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bestimmen. Die Innenbebauung der solchermaßen ge-
schaffenen Hausgrundstücke könnte individuell ausge-
führt worden sein und deshalb voneinander abgewichen
haben 309). Sie ist bisher in keinem Beispiel eindeutig re-
konstruierbar.

13.13. Tall Taya

Häuser auf der Zitadelle

(Taf. 41)

In den Schichten IX und VIII haben sich vor allem west-
lich und in den Schichten VII-VI verstärkt auch südlich
des Tempels auf der Zitadelle Wohnhäuser ausgebreitet
(Reade 1968, 241. 246. 252. 255). Sie sind in den Ar-
chitekturplänen der Zitadelle (ebenda 78) nicht einge-
zeichnet.

Etwas südlich der Mitte der Zitadelle befindet sich
ein Raum, dessen Anlage in die Schicht IX zurückgeht
(Taf. 41). Seine hauptsächliche Bausubstanz stammt aus
der Schicht VIII. In Schicht VII wurde der Raum durch
eingebaute Mauern modifiziert (Reade 1973, 166 ff.,
Pl. 73b). Auf Grund von zwei Binnenbögen ist der
Raum als Doppelbogenraum ausgewiesen (s. Kap.
11.4). Entgegen den Interpretationsvorschlägen des
Ausgräbers (ebenda) wird er als Wohnraum gedeutet.
Seine Größe von 8 x 4,5 m übersteigt die der üblichen
Doppelbogenräume in den Häusern von Tall Bderi (ca.
6,5 x 3,75 m, Taf. 6. 12. 13) nicht entscheidend.

Die nördliche Zugangstür des Raumes war mit einer
kleinen Treppe versehen, da die Außenfläche im Niveau
schneller anwuchs als die Innenfläche (Reade 1973,
168). Dies weist darauf hin, daß der Raum unmittelbar
an einer Gasse gelegen haben könnte. In der östlichen
Verlängerung seiner Frontmauer liegt ein weiterer Ein-
gang (ebenda 166), der bereits zu einem anschließenden
Haus gehören könnte. Die Aneinanderreihung von
Wohnräumen unterschiedlicher Häuser ist ebenfalls ein
typisches Kennzeichen der Doppelbogenhäuser von Tall
Bderi (vgl. Abb. 114).

Beim vorliegenden Doppelbogenraum handelt es sich
nicht um ein einräumiges Haus, da in der Westwand
des Raumes ein großer, mit einem Bogen überwölbter
Durchgang liegt, der in einen westlich anschließenden
Raum geführt haben muß. In einer späteren Phase der
Schicht 8 wurde er zugesetzt (ebenda 166). Auch die
dicken Mauern (ca. 1 m) und die hohen Steinfunda-
mente unter dem aufgehenden Lehmziegelmauerwerk
(ebenda Pl. 66b) stellen einen deutlichen Unterschied zu
den Doppelbogenhäusern von Tall Bderi dar. Daraus ist
zu schließen, daß der Raum Teil eines größeren Haus-

komplexes war. Auf Grund seiner mit Hilfe der Binnen-
bögen erreichten, großen Raumfläche dürfte er jedoch
als (multifunktionaler?) Wohnraum oder Hauptraum
des ehemaligen Hauses anzusprechen sein.

Die Funde unterstützen diese Deutung. In der Wange
der Eingangstür war eine der für die Wohnhäuser des
3. Jtsds. typischen anthropomorphen Terrakotten (s.
Kap. 12.3: C Xla), sicher als Schutzsymbol für das
Haus, eingelassen. Auf dem Fußboden des Raumes fan-
den sich zahlreiche Gegenstände aus dem Zerstörungs-
schutt der Schicht VIII. Im westlichen Abschnitt des
Raumes standen zwei Vorratsgefäße und ein großer
Steinmörser (Reade 1973, 167, Pl. 66b). Zusammen mit
Gefäßfragmenten und vollständigen Gefäßen fanden
sich in den östlichen Raumteilen zwei Fayence-Näpfe
(ebenda 166, Pl. 75d). Wie der Fund eines entsprechen-
den Bechers in Haus S 1 in der Außenstadt von Tall
Täya zeigt (Reade 1971, 98), gehören Fayence-Gefäße
an diesem Ort offensichtlich zum üblichen Inventar von
Wohnhäusern. Ungewöhnlichere Funde sind eine als
Lampe oder Tasse zu verwendende Muschelschale mit
eingeritztem Dekor, einritzverzierter «Fruchtständer»
und Lapislazuli-Einlagen (Reade 1973, 167, Pl. 68e;
75b). Dies spricht für einen relativ wohlhabenden Haus-
halt.

Häuser in der umwallten Stadt

Haus W 1 (Taf. 42)

Das am Westrand der umwallten Stadt, unmittelbar an
der Stadtmauer gelegene Haus W 1 besitzt eine erheb-
liche Ausdehnung (32 x 22 m) und eine große Anzahl
von Räumen. Es verfügt über 27 Räume und zwei Höfe
(Reade 1971, 94-96, Pl. 24). Der Ausgräber bezeichnet
es als «mansion» (ebenda 94). In der vorliegenden Un-
tersuchung ist es der Kategorie der Elite-Wohnhäuser
zuzurechnen. Wie ein Treppenhaus anzeigt, war es zwei-
stöckig (s. Kap. 11.7).

Mit seiner Ostfront flankiert das Haus eine Gasse.
Über einen großen Eingangsraum und einen weiteren
Raum ist der erste Hof von 9 x 9 m Größe zu erreichen.
Von diesem Verteilerhof aus sind das Treppenhaus, eine
dreiräumige Raumeinheit im Osten, der 11-räumige
Westkomplex des Hauses und ein zweiter Hof (9 x 6,5 m)
im Süden zu erreichen. Vom zweiten Hof aus ist eine wei-
tere, fünfräumige Raumeinheit im Osten und ebenfalls

309) Durch eine Freilegung der ältesten Nutzungsphasen des Wohn-
viertels von Tall Lailan ließe sich diese Vermutung überprüfen. Das
Fehlen einer bei dieser These zu erwartenden weiteren Ost-West-
mauer nördlich der erwähnten Trennmauer könnte durch den fort-
geschrittenen Nutzungsablauf des Siedlungsviertels zur Zeit der Pha-
sen 6-4 bedingt sein, in der die ursprüngliche Parzellenunterteilung
bereits verändert worden sein könnte.

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