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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 2
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Die Geschichte vom Knoblauch und von der Teufelschleppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0121

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Die Geschichte voin Knoblauch und von der Teufelsschleppe.

Dic beiden Kcschichten, die ich numnehr erzählen
will, sind eigentlich nicht aus meinem Acker gewachsen;
ein Landsmann von mir, Läsarius von Heisterbach,
der zwar schon 500 Iahre tot, aber doch noch
immer lebendig ist, hat sie mir erzählt.

Zollte dir nun, geliebter Leser, die erste der
beiden Teschichten oder die zweite mißsallen, oder
solltest du gar allen beiden keinen Teschmack ab-
gewinnen können, so schiebe die Schuld nicht dem
weiland Läsario in die Lchuhe; besser schilt auf
mich, daß ich um die groben, aber echten Ltein-
quadern der alten Nönchs die Lseuranken einer
allzu kecken Phantasie gesührt habe. Und nun zur
Teschichte vom

Rnoblau ch.

In Aäln am Ahein lebte einst, d. h. vor etwa
500 Iahren, ein Nann namens Reinhard. Lr
war seines Aeichens ein AAnzer, denn damals wurde
im heiligen Aöln und zwar mitten in der heutigen
Ltadt viel saurer Wein gebaut.

Dieser Reinhard war so fromm und gottes-
fürchtig, wie das die meisten Nenschen sind, also
nicht sehr. Lr ging indessen regelmäßig zur Beichte
und lebte überhaupt so, wie es einem anständigen
Bürger und soliden Lhristen zukommt.

Lines illorgens nun beabsichtigte er wieder, sich
seiner kleinen Bünden und Versehlungen zu ent-
ledigen, und ging zu diesem Zwecke in das Rloster
an Zt. Pantaleon. Indessen war der alte Mänch,
der ihm gewöhnlich die Leichte abnahm und ihn
sehr milde zu behandeln pslegte, nicht anwesend,
und so beichtete er denn einem andern Nönche.

Als Reinhard aber mit seinem Bündenregister
zu Lnde war, meinte der Beichtvater: „Bchlimm
ist es nicht, o Reinharde, aber eine kleine Buße
sei dir auserlegt; enthalte dich an diesem Lage des
Hleischgenusses und du sollst entschuldigt sein."

Behr betrübt verließ Reinhard die Airche. Lr
wußte nämlich, daß seine Srau Bratwurst sür den
Nittag bereit hatte, und sich dieser enthalten zu
müssen, deuchte ihm hart. Trotzdem ging er mit
den besten Vorsätzen nach Hause. Als aber der
^ust jener Ivurst ihm lieblich in die Nase stieg,
nahm er sich seuszend ein großes Ztück von ihr aus
der ^chüssel.

Äewußtsein dieser Ichuld indessen verließ
" ^2 über nicht mehr, es ging mit ihm
schlasen und wachte mit ihm auf, und eilends begab
er jich am Norgen ins Aloster an Bt. pantaleon.

Der Beichtvater war nicht sehr angenehm berührt
von dem Teständnis. Lr schüttelte mehrmals das
haupt und sagte: „§> Reinharde, so will ich dir
eme andere, noch leichtere Buße auserlegen; begib
dich nach Hause und bete aus dem Wege dorthin
drei vaterunser."

^ »Nax Wetter, Altrheinische Keschichten und

E>chwanke, Lerlag Hermann Zeemann Rachfolger, Leipzig."

Lehr sröhlich ging Reinhard davon nnd betete
das erste Vaterunser eifrig, ohne nach rechts oder
nach links zu blicken. Bei dem zweiten sah er sich
schon nach den Leuten auf der Straße um, und ehe
er das dritte begann, hatte er einen Bekannten
entdeckt, dem er schon lange etwas zu sagen hatte.
Dieser LNann aber war ein Nleinfuhrmann, der
eben erst aus dem Rheingau zurückgekehrt war
und mancherlei zu erzählen wußte. Als die beiden
Kreunde sich vor Reinhards Haus trennten, hatte
dieser das dritte Vaterunser vergessen, und es fiel
ihm erst wieder ein, als er längst die Bchwelle
seines Hauses überschritten hatte. Hestige Tewissens-
bisse plagten ihn, und kaum konnte er es erwarten,
bis er wieder vor seinen Beichtvater zu Zt. Pan-
taleon trat, um ihm reumütig seine Zaumseligkeit
zu gestehen.

Diesmal seuszte der Nänch noch tieser, und
sprach traurig: „G Reinharde, eine leichtere Buße
kann ich dir nicht auserlegen, es müßte denn sein,
daß ich dir etwas zu tun verbieten wollte, was
zu tun dir selbst im Traume niemals eingesallen
wäre."

„Lieber Herr," bat Reinhard, „legt mir eine
solche Buße doch aus."

„Nun wohl," sprach der Priester ernst, „was,
Reinharde, würde dir zu tun recht unangenehm
sein?"

Linen Augenblick dachte der Nann nach, dann
sagte er sröhlich: „Anoblauch, lieber Herr, war mir
verhaßt von Iugend aus, und ich glaube, wolltet
Ihr mir verbieten, ihn jemals roh zu verzehren,
so würde ich Luch gehorsam sein."

„Lo besehle ich dir denn," sprach der Nönch,
„niemals mehr Rnoblauch roh zu verzehren, so
sollst du deiner Lünden ledig sein."

Nit srohem Linn ging Reinhard davon. Dies-
mal aber ging er nicht nach Hause, sondern nach
seinem Nleinberg, der nicht weit vom Aloster gelegen
war. N)ie cr aber so sröhlich dahinschritt, bemerkte
er in einem Arautgarten am Wege unter mancherlei
Pslanzen auch Anoblauch, und er mußte lachen,
weil er an die leichte Luße dachte. Line ganze
N>eile blieb er dort stehen und betrachtete den
Nnoblauch ausmerksam, endlich bückte er sich und
rührte mit dem Zinger daran; der Teruch stieg
ihm in die Nase, er griff zu, zog eine Pflanze aus
dem Boden, beschnüffelte sie lange von allen Leiten
und begann sie zu verzehren.

Raum aber war der erste Bissen verschlungen,
als er entsetzt den Rnoblauch zu Boden wars und
sich eilenden Hußes zum Rloster zurückbegab, wo er
alsbald seinen Beichtiger antraf.

Mt sreundlichem Lächeln hörte der Nönch die
heftigen Lelbstanklagen des Schuldigen. „G Rein-
harde," sagte er dann, „erblickst du den Ltab, aus
den ich mich stütze? Nun wohl, mein Zohn, sliehe
diesen Ltab, denn es gelüstet ihn nach deinem
Rücken."

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